Mobilmachung für Mahmud

Jugendliche in Tenever engagieren sich für einen Freund: Mahmud Fakhro droht mit seinem 18. Geburtstag, den er heute feiert, die Abschiebung in die Türkei – obwohl er Libanese ist und sich als Deutscher fühlt. „Lieber gehe ich in‘s Gefängnis.“

bremen taz ■ Über 400 Unterschriften. Briefe an die Senatoren Henning Scherf (SPD), Karin Röpke (SPD) und Thomas Röwekamp (CDU). Bitten an den Petitionsausschuss. Fürbitten des Schulzentrums an der Walliser Straße und des Vereins zur Förderung akzeptierender Jugendarbeit. Unterstützung von der Stadtteilgruppe und der Gruppe Grenzenlos – das Engagement in Tenever für einen jungen Einwanderer ist im besten Sinn grenzenlos.

Seine Freunde nennen ihn Mahmud, er heißt aber auch Mohammed und Mehmet. Er soll Deutschland verlassen. Der Grund: Gefälschte Papiere. 1988 war die Familie des damals zweijährigen Mohammed Fakhro vor dem libanesischen Bürgerkrieg geflüchtet. Nach Deutschland mussten Vater, Mutter und zwei Kinder den Umweg über die Türkei nehmen. Dort besorgte der Vater gefälschte Papiere – deutlich erkennbar, meint der junge Mann, der dann Mehmet Pisit hieß. „‘Pisit‘ bedeutet ‚dreckiger Hund‘ – diesen Nachnamen würde kein echter Türke tragen.“ Erst 2002 entdeckte die Polizei die gefälschten Pässe, von da an galten die Familienmitglieder als Türken – und sollen abgeschoben werden. Seitdem hangelte sich Mahmud von einer Verlängerung der Duldung zur nächsten – mal ein paar Monate, mal ein paar Tage. Jetzt ist es jedoch endgültig: Spätestens am 20. Dezember soll er in der Türkei sein. Doch mit dieser Endgültigkeit wollen sich die Jugendlichen in Tenever nicht abfinden.

„Wir geben alles, damit er bleiben kann. Schlimmstenfalls würden wir ihn verstecken – im Jugendcafé, im Freizi, bei uns daheim“, erklärt Ibrahim Halil Özalp. „Ich würde nicht damit klarkommen, wenn Mahmud gehen muss. Mit niemandem sonst kann ich meine Probleme teilen“, sagt der 18-Jährige traurig. „Wenn einer von uns Probleme hat, regelt Mahmud das für uns. Jetzt hat er ein Problem, und wir wollen ihm beistehen“, sagt Hasan Benna Yilmaz. Er hat zusammen mit Ahmad Ammouri das „Jugendkomitee gegen Abschiebung“ geründet, um für den Freund zu kämpfen und seinen Fall bekannt zu machen.

Joachim Barloschky von der Stadtteilgruppe Tenever zeigt sich von dem Engagement begeistert: „Es ist zwar ein trauriger Anlass, aber es ist schön zu sehen, wie die Jugendlichen aktiv werden und ihre Rechte wahrnehmen.“ Gerade in einem Stadtteil wie Tenever, wo über zwei Drittel der Bewohner einen Migrationshintergrund haben, sei jemand wie Mahmud ein gutes Beispiel für Integration: Der junge Mann spricht fließend Deutsch, hat den erweiterten Hauptschulabschluss gemacht und eine Lehrstelle als Automobilkaufmann gefunden – die er aber nur antreten kann, wenn seine Aufenthaltserlaubnis verlängert wird. Als ausgebildeter Konfliktschlichter vermittelt er zwischen deutschen, türkischen, polnischen und russischen Cliquen. Sozialpädagoge Mutlu Ersan vom Verein zur Förderung akzeptierender Jugendarbeit, der seit zwei Jahren mit Mahmud zusammenarbeitet, hofft auf eine Chance für den jungen Mann: „Es wäre unmenschlich, diese hundertprozentige Integration zu zerstören.“

Mahmud will um jeden Preis in Deutschland bleiben: „Lieber gehe ich ins Gefängnis als in die Türkei“, sagt er. Grund für diese harten Worte: Der angebliche Türke spricht kein Wort dieser Sprache, hat dort weder Verwandte noch Bekannte. „Meine Augen sind in Deutschland aufgegangen, ich fühle mich als Deutscher. In der Türkei habe ich keine Zukunft.“ Heute wird Mahmud 18 Jahre alt. Seine Freunde kämpfen dafür, dass er auch seinen 19. Geburtstag in Bremen feiern kann – und nicht dort, wo er nicht mal „herzlichen Glückwunsch“ in der Landessprache versteht. Ulrike Schröder