„Papst ist ein Januskopf“

Der Priester Gotthold Hasenhüttl ist schockiert über seine endgültige Suspendierung. Er würde sofort wieder eine ökumenische Messe mit Abendmahl feiern: „Das Zeichen der Versöhnung war wichtig“

INTERVIEW PHILIPP GESSLER

taz: Sie dürfen jetzt keine Messe mehr halten. Tut das weh?

Gotthold Hasenhüttl: Wenn man 45 Jahre das Priesteramt ausgeübt hat, spürt man das schon. Es ist wie eine Lebensarbeit, die annulliert wird, wenn man so einen Tritt bekommt.

Sie mussten mit dieser Entscheidung rechnen. Waren Sie trotzdem geschockt?

Ja, ich war geschockt. Aber es war zu erwarten, dass die Glaubenskongregation in Rom sich nicht gegen den Ortsbischof, den hiesigen Bischof Marx, stellen würde. Ich hatte allerdings gehofft, dass man die Sache im Vatikan rauszögert, wie etwa die Entscheidung über die Marienerscheinungen in Marpingen im Saarland. Da wartet man auch schon fünf Jahre auf die Entscheidung.

Früher hätte man solche Leute wie Sie verbrannt, oder?

Das ist richtig. Jeanne d’Arc hat ihre Berufung auch nicht aufgegeben. Sie wurde verheizt, aber später doch heilig gesprochen. Die heilige Hildegard von Bingen hat gegen ihren Bischof von Mainz verstoßen, weil sie einen Exkommunizierten begraben hat. Da wurde das Interdikt über ihr Kloster verhängt bis zu ihrem Tod, alle Nonnen durften keine heiligen Handlungen und keine Messe mehr vollziehen. Hildegard ist in Ungnade der Kirche gestorben.

Wenn Sie aber zu Kreuze kriechen, ist alles wieder gut?

Ja, so steht es auch im Dekret. Aber das kann und werde ich nicht tun. Es ist theologisch falsch und mit meinem Gewissen nicht vereinbar, denn es hieße, dass ich Protestanten zu Christen zweiter Klasse erklärte. Ich würde die Eucharistie als Mittel der Abgrenzung nutzen. Dabei hat Jesus gesagt: Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid.

Ihr Bischof Marx hat auch angekündigt, Ihnen die Lehrerlaubnis als Professor entziehen zu wollen.

Das trifft mich nicht direkt, sondern vor allem meine Studenten, die kein Examen mehr bei mir machen können. Katholische Akademien werden mich nicht mehr zu Vorträgen einladen, weil ich ja nicht mehr die Venia legendi habe. Alles, was ich lehre, hat nun keine Prüfungsrelevanz mehr.

Sind Sie enttäuscht vom Papst, der die Entscheidung approbiert hat – immerhin wird er doch von einigen wegen seines ökumenischen Engagements gelobt?

Er ist ein Januskopf, er tut ökumenisch, aber Ökumene läuft bei ihm nur so: Kommt zu mir, wenn ihr meine Autorität anerkennt, dann ist alles gut. Es ist keine Ökumene auf gleicher Ebene. Er akzeptiert die anderen Kirchen nicht, sondern will sie bekehren. Die Exkommunikation Luthers ist ja auch noch nicht aufgehoben.

Haben Sie schon Reaktionen von Protestanten bekommen?

Abgesehen von Anrufen und E-Mails Einzelner wird die Evangelische Kirche in Deutschland wohl nichts sagen. Sie wollen sich nicht einmischen in diese innerkatholischen Belange. Und ich habe ein bisschen das Gefühl, sie tun lieber freundlich und überspielen Unterschiede in Hoffnung auf eine Ökumene, die meines Erachtens keine wirkliche mehr ist. Mit dem Abendmahl steht und fällt die Ökumene nun einmal. Wenn aber nun das, was ich getan habe, offiziell eine „Straftat“ ist, dann ist jede ernsthafte Ökumene am Ende. Ich hoffe allerdings, dass man in 20, 30 Jahren milde über meinen Fall lächeln wird!

Welche Konsequenz hat die Entscheidung für Gemeinden und die Theologie?

Immense! Im Klartext heißt das: Katholisch-evangelische Mischehen-Paare können nicht mehr gemeinsam kommunizieren. Theologisch werden alte Gräben aufgerissen, die längst überwunden waren, aber noch in den Köpfen der alten Hierarchen rumspuken. Mittelalterliche Lehren sind offenbar wieder en vogue.

Bereuen Sie, Priester geworden zu sein?

Nein, der Gottesdienst in Berlin war einer der schönsten meines Lebens, neben meiner Primiz, meiner Amtseinführung als Priester. In Berlin war nichts von Protest zu spüren, sondern ein Gefühl der Einheit unter den Christen, man hat zusammen mit Christus gefeiert. Und ich finde es immer noch wichtig, dieses Zeichen der Versöhnung gesetzt zu haben.