Putins Pipeline bessert Beziehungen

Historischer Türkei-Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin im Zeichen von Energieverträgen und der Bekämpfung des Terrorismus. Bessere Beziehungen Moskaus mit Ankara sind für Putin keine Alternative zur Integration der Türkei in die EU

Putin verspricht sich vom EU-Beitritt der Türkei für Russland bessere Geschäfte

AUS ISTANBULJÜRGEN GOTTSCHLICH

Mit einer allgemeinen Deklaration zur künftigen Zusammenarbeit und der Unterzeichnung von sechs Wirtschaftsverträgen ist gestern ein zweitägiger Staatsbesuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin in der Türkei zu Ende gegangen. Putins Ankara-Besuch ist insofern historisch, als in der Vergangenheit weder ein Zar noch einer der kommunistischen Führer jemals die Türkei besucht hat. Nach zwei verschobenen Anläufen – der letzte scheiterte Anfang September wegen des Geiseldramas in Beslan – war Putin nun am Sonntagabend von Indien kommend in Ankara eingetroffen.

Nach zwei Treffen mit dem türkischen Präsidenten Ahmet Sezer erläuterten Putin und sein türkischer Partner gestern vor der Presse den neuen Stand der bilateralen Beziehungen. Mit der allgemeinen Deklaration, so Putin, beende Russland die historische Rivalität mit der Türkei und gehe zu einer strategischen Partnerschaft über. Putin und Sezer unterzeichneten eine gemeinsame Erklärung über den Kampf gegen den Terrorismus. Sie hat eine neue Qualität, da Russland bisher die Türkei verdächtigte, Aufständische in Tschetschenien zu unterstützen. Umgekehrt klagte Ankara, dass Moskau der kurdischen PKK ein sicheres Rückzugsgebiet geboten hatte.

Mit seinem Besuch signalisiert Putin, dass das Verhältnis zur Türkei seit dem Ende des Kalten Krieges noch nie so gut war wie heute. Basis dieser Beziehungen ist ein seit Mitte der 90er-Jahre ständig wachsender wirtschaftlicher Austausch. Während in Russland etliche türkische Baukonzerne aktiv sind und die Türkei darüber hinaus Konsumgüter aller Art nach Norden exportiert, ist die Türkei für Russland vor allem ein riesiger Energiemarkt. Seit wenigen Jahren werden alle türkischen Großstädte flächendeckend mit russischem Erdgas versorgt. Ein milliardenschwerer 25-Jahres-Gasvertrag von 1997 hat zum Bau einer Gaspipeline durchs Schwarze Meer geführt, die vor zwei Jahren fertig gestellt wurde. Danach wuchs der Anteil russischen Gases auf dem türkischen Markt von 60 auf 80 Prozent.

Der staatliche russische Gasgigant Gasprom will der Türkei nun Gaskraftwerke zur Stromerzeugung verkaufen und in einem Jointventure die Türkei auch in der Fläche mit Gasleitungen überziehen. Doch Russland hat nicht nur den türkischen Markt im Auge. Putin brachte einen Plan mit nach Ankara, der vorsieht, die Gaspipeline durch die Türkei weiter bis nach Israel zu verlängern, um auch Israel mit russischem Gas versorgen zu können. Das gemeinsame russisch-türkische Interesse betrifft auch Öl. Zwar importiert die Türkei nicht so viel Öl, doch ein großer Teil des russischen Öls wird durch den Bosporus und die Dardanellen transportiert, 2003 allein 135 Millionen Tonnen. Dieser große Tankerverkehr ist teuer und eine ständige ökologische Bedrohung für die 15-Millionen-Stadt Istanbul. Diskutiert wird deshalb der Bau einer Ölpipeline vom Schwarzen Meer durch Thrakien an die Ägäis, um so die Meerengen zu umgehen.

Insgesamt unterzeichneten Putin und Sezer sechs Wirtschaftsverträge, die alle den Energiesektor betreffen. Der Ausbau der Beziehungen ist allerdings weder aus türkischer noch aus russischer Sicht eine Alternative zur Integration der Türkei in die EU. In Ankara machte Putin vielmehr deutlich, dass er die türkischen Bemühungen einer Annäherung an die EU unterstützt. Russland verspricht sich davon eine langfristige politische Stabilität und wachsendes wirtschaftliches Potenzial in der Türkei, was seinen Energielieferungen nur nützlich sein kann.

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