schurians runde welten
: Radio Gaga

„Dass ich meine Mannschaftskameraden nicht besuchen durfte, ist genau so, als ob ich meine Kinder nicht sehen darf“. (Marcio Amoroso)

Fußball ist nur am Radio richtig schön, sagen Fußballpuristen, wenn die Sportschau von einer Werbeinsel zerschnitten wird. Selig schwärmen sie vom fränkischen ‚Rrr‘ und den packenden Konferenzschaltungen. Vorgestern saß ich am Radio und mir wurden die Ohren geöffnet – Fußball am Radio ist Unfug.

Wir hören nur zu, weil wir nicht dabei sind, wohl aber der Mensch am Mikrophon, den es aber überfordert, das Geschehen wieder zu geben. Der Ball ist schneller als die Zunge.

Nun mag es daran liegen, dass es ein Privatsender war, der das Spiel des Ortsbundesligisten übertrug und das in unendlichen Einblendungen, die bis zu fünf Minuten dauerten und den Sprecher gramatikalisch und stimmlich an seine Grenzen brachten.

Die erste Schalte: Nach Anmerkungen zur Auswärtsbilanz und Aufstellungen hechelte der Radiomann eine Echtzeit-Beschreibung herunter: „Ein weiter Abschlag vom Torwart. Spieler O. wird umringt von fünf, sechs Niedersachsen, das Leder kommt postwendend zurück. Über außen bringt ein Landeshauptstädter den Ball hinein, in dem Durcheinander kann der Goalie klären, schlägt den Ball hinaus auf H. Doch zu spät. Drei Abwehrspieler spritzen dazwischen und schlagen den Ball aus der Gefahrenzone. Ein Hannoveraner nimmt den Ball an. Sein Sturmpartner muss warten, nimmt das Tempo raus, doch das Ruhrpottteam hat sich formiert und versucht wiederum einen Angriff über F.“

Kurzum: Eine Sammlung von Stanzen und Phrasen. Nur weil wir tausend Spiele gesehen haben, können wir etwas mit dem Gebrabbel anfangen. Wer noch nie Fußball gesehen hat, wird nicht verstehen, was ein weiter Ball ist oder ein postwendendes Leder und wie es eigentlich aussieht, wenn drei Spieler dazwischen spritzen? Pfui.

21.12. Duisburg - M‘gladbach

Frauenfußball wird nur selten live kommentiert, das könnte sich aber ändern. Am kommenden Wochenende sind überhaupt nur noch die Frauen aktiv am Ball, die kälteresistenten Regionalliga-Frauen trotzen dem Matsch, männliche Weicheier haben Winterpause. Vielleicht überträgt das Radio Duisburg oder Niederrhein also das Abstiegsduell zwischen Duisburg-Rumelns Zweiter gegen FSC Mönchengladbach.

Rumelns Erstauswahl schiebt derweil Frust. In der Frauen-Bundesliga stehen sie jenseits von Gut und Böse. Und gegen Heike Rheine sind sie aus dem DFB-Pokal geflogen, auch weil Duisburgs-Nationalkeeperin Silke Rottenberg eine Schiri-Entscheidung fair korrigierte. Statt Abstoß bekam Rheine eine Ecke, danach schoss taz-Leserin Kerstin Garefrekes unhaltbar ein zum 2:3. Ein Gutes hat aber selbst die Rumelner-Baisse: Kein Pokalfinale, kein Radio. Stille Nacht.

CHRISTOPH SCHURIAN