Für Europa fast nur B-Movie-Darsteller

NRW-Parteien stellen viele unbekannte Politiker für die Europawahl auf. EU-Parlament als Abschiebebahnhof

DÜSSELDORF taz ■ Wie wichtig die NRW-FDP Europa nimmt, lässt sich an den Namen der liberalen Kandidaten für die Europawahl ablesen: Alexander Lambsdorff, Dirk Schattschneider, Hans-Joachim Stockschläger, Sven Pastoors und Sascha Lüder. Die freidemokratische Europa-Liste für den Urnengang am 13. Juni 2004 liest sich wie die Besetzungsliste eines politischen B-Movies. Kaum Prominenz, wenig Profis – wie die FDP schicken alle NRW-Parteien die zweite bis dritte Garde nach Europa.

Bekannt kommt einem nur der Name des FDP-Listenführers vor. Alexander Graf Lambsdorff ist ein Neffe des Ex-Parteichefs. Mit Onkel Otto verbindet den 37-Jährigen angeblich eine Geistesverwandschaft. „Ich spreche oft und viel mit meinem Onkel“, ist von Lambsdorff überliefert. Politisch ist er im FDP-Kreisverband Bonn zu Hause, beruflich aber wirkt der studierte Historiker Lambsdorff in Berlin, im Auswärtigen Amt. Die Europa-Kandidatur ist nicht der erste politische Versuch des Adeligen. 2000 kandidierte Lambsdorff für den NRW-Landtag – ohne Erfolg.

Auch bei CDU und SPD kandidieren Fragezeichen. Am ehesten gehören noch die beiden Listenplatz-Ersten zur erweiterten Politprominenz. Christdemokrat Elmar Brok aus Bielefeld hat sich als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im EU-Parlament einen Namen gemacht. Der Aachener SPDler Martin Schulz ist bekannt, seitdem ihn Italiens Premierminister Silvio Berlusconi mit einem SS-Mann aus einer TV-Comedy-Serie verglich. Seitdem hat Schulz ein Wahlkampfthema für die Europawahl gefunden. „Berlusconi ist eine Gefahr für Europa“, sagt Schulz bei jeder Gelegenheit. Auf den weiteren Listenplätzen der CDU und SPD folgen viele Polit-Amateure.

„Die Europalisten zeigen die Geringschätzung der Parteien für europäische Politik“, sagt Othmar Nikola Haberl, Politikprofessor an der Universität Essen-Duisburg. Bis auf wenige Ausnahmen seien Europa-Kandidaten installiert worden, die kaum jemand kenne. Daniel Cohn-Bendit als grüner Spitzenkandidat sei eine rühmliche Ausnahme. Nach dem erstmal gescheiterten Verfassungsentwurf für Europa ist der Essener Professor skeptisch, ob mittelfristig mehr Spitzenpolitiker ins EU-Parlament wollen. „Erst wenn das Parlament das volle Haushaltsrecht hat, wird sich in den Köpfen der Politiker etwas ändern“, sagt Haberl. Wann es soweit sein wird, dass die EU-Kammer wichtiger ist als der Deutsche Bundestag? „Das dauert Jahrzehnte.“ MARTIN TEIGELER