„Immer Kartoffelbrei!“

Der traditionelle Wahnsinn: Alljährlich zur Weihnachtszeit tritt „Oma Hans“ in Hamburg auf und gibt der „taz hamburg“ ein obskures Interview. Das Thema in diesem Jahr lautet: Essen vor dem Auftritt

Interview Dr. Jari Litmanen

Anlässlich seiner tausendsten Brandblase sprach die taz mit John Kluivert-Overmars van der Sar, Acht-Sterne-Koch aus dem Tschad und ehemaliger Besitzer der Übungsbunker der Punkbands Leatherface und Oma Hans, die die Stadt am heutigen Abend mit einem Besuch in der Fabrik beehren.

taz: Herr Kluivert-Overmars van der Sar, vor Oma-Hans- und Leatherface-Konzerten ist es für das Publikum wie auch für die Bands wichtig, für eine anständige Grundlage zu sorgen. Ihre Empfehlung?

John Kluivert-Overmars van der Sar: Allen Ernährungswissenschaftlern zum Trotz, Leute: Immer – egal, was dabei ist – Kartoffelbrei!

Warum gerade Kartoffelbrei?

Weil er sehr gut schmeckt, einfach zu essen ist und die 1.000 Liter Alkohol weicher auffängt als zum Beispiel ein Feldsalat.

Welche Zubereitungsart bevorzugen Sie?

Die klassische. Muskat, Milch und Butter. Und nie den Pürierstab nehmen, sonst wird das so käsig. So cremig.

Was passt als Beilage?

Alles eigentlich. Alles, wovon man nicht stirbt. Quasi alles, was man essen kann.

Also zum Beispiel auch kaltes Mammut.

Ja, auch ein Stück kaltes Mammut.

Da kommt man aber nicht so ohne weiteres ran.

Da muss man eben ins Untergrundladen-Einkaufszentrum gehen. Ins einzig wahre.

Ich bitte um Erläuterung.

Man muss dort einen gewissen Herrn Riebesell nach einem Schlafanzug mit dem Aufdruck „Gefühltes Nichts“ fragen. Und bei selbigem Bekleidungsverkäufer bekommt man dann auch eben dieses tiefgefrorene, alte, aber noch immer wohlschmeckende Stück Mammut.

Würzen Sie das Mammut?

Ja klar. Mit Wintermützen, Baumwolltaschen, Turnhosen, Matrosen-Frauenhemden. Und mit Boxerhund-Frauenhemden. Ganz am Ende des Zentrums steht übrigens ein indischer Gitarrenladen, der ist nicht beleuchtet, abgesehen von einem dunklen Schild, auf dem „Gitarrenwände Ness“ steht. Der Besitzer hockt seit Jahren auf zwei Gitarren, die kauft einfach keiner. Aber alle Jahre wieder kommt ein Herr Frankie Stubbs aus Sunderland reingescheest, einer Stadt zwei Meter vor Schottland. Dann schnappt er sich den kleinen, moppeligen Ness und schleift ihn auf eine Holzbühne, wo die beiden mehrere Stunden lang definierbare, aber wohlklingende Weisen von sich geben.

Herr Stubbs isst vor dem heutigen Auftritt sicher auch kaltes Mammut.

Stubbs als Vegetarier isst 15 bis 16 Pfefferminzfrikadellen.

Mit Kartoffelbrei.

Selbstverständlich. Ach ja, durchs Einkaufszentrum latscht auch noch eine wunderhübsche, intelligente südenglische Herzogin. Die verbreitet eine dermaßen freundliche Stimmung, dass sie vor lauter warmer Aura Bass spielt und singt.

Sie schweifen ab.

Wir müssen jetzt alle schnell nach Hause, um unsere Tierkostüme zu bügeln. Für den Abend hat sich ein MTV-Team angemeldet, das wir jedes Jahr fair und anständig verprügeln.

Warum denn das?

Wir können uns einfach keine Langeweile mehr erlauben. Es gibt keinen Grund, krampfhaft zu werden. Und es gibt auch keinen einzigen Grund, in die Charts zu kommen. Denn das Einzige, was die haben, ist Geld. Und sonst gar nichts. Schlagwerkmeister Herr Nagel aus dem Schwarzwald zum Beispiel, der arbeitet neuerdings beim Roten Kreuz und macht dort das, was er am besten kann: Busfahren. Das ist einfach mehr wert als Geld.

Noch mal zum Essen: Warum heißt es eigentlich immer, man soll keine selbst geschmierten Butterstullen mit aufs Konzert nehmen?

Weil man mit vollem Mund nicht so gut tanzen kann.

Logisch. Können Sie uns zum Abschluss noch ein Geheimrezept verraten?

Calamares in Stücke schneiden, in sehr heißem Olivenöl – mit „sehr heiß“ ist gemeint, dass die Feuerwehr mit der Leiter quasi schon an den zweiten Stock klopft – zehn Minuten braten, bis man die Hand vor Augen nicht mehr sieht. Dann Zitrone und ein Bund Petersilie ran, das Ganze schockgefrieren, einen Holzstab rein und als eine Art Eis auf dem Weg zum Konzert verzehren. Und immer dran denken: Wenn man einen Globus schnell dreht, so richtig schnell, dass einem schon die Hände wehtun, dann geht er irgendwann kaputt.

heute, 21 Uhr, Fabrik: Oma Hans, Leatherface, Fat Flag, DJ Urinpisse