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: Nicht von dieser Welt

Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen. Aber dass Johann Kresniks ambitionierte theatralische Auseinandersetzung mit den „Zehn Geboten“ im Dom stattfinden wird, glauben allenfalls noch naive Voll-Optimisten. Die Proben sind abgesetzt. Die Inszenierung wahre „nicht die Würde des Raumes“, hat der Gemeinderat befunden.

Eine merkwürdige Erklärung. Rückschlüsse lässt sie zunächst auf die Standfestigkeit der Bremer Herde zu, die laut blökend vom Glauben abfällt, offenbar fürchterlich verschreckt durch ältliche unbekleidete Damen. Dabei hätten diese – abgesehen von den Nähmaschinen, die sie betätigen sollten – keine Überraschung sein dürfen: Eine Kresnik-Inszenierung ganz ohne Nackte hat es seit Menschengedenken nicht gegeben. Andererseits hat der Altregisseur bereits einen Sakralraum bespielt, kontrovers, freilich, aber nicht so, dass anschließend die Gläubigenziffer in statistisch auffälliger Weise gesunken wäre: So geschehen in Heidelberg. Offenbar wohnen am Neckar weltläufigere Christen als an der Weser.

Triumphiert haben damit jene, die Kirche in der Hauptsache als Hort einer altertümelnden Moral verstehen: Verhärmte Schwarzkittel, die lieber nicht von dieser Welt wären. Und die geflissentlich übersehen, dass sich die Zentralfiguren ihres Bekenntnisses – der Totschläger Moses, das uneheliche Kind Jesus und der abtrünnige Mönch Martin Luther – dadurch auszeichnen, dass sie Sittengesetze durchbrochen haben. Wer das aber weiß, erkennt auch den eigentlichen Skandal: Der besteht darin, dass im Dom eine zeitgemäße Auseinandersetzung mit den Zehn Geboten nicht möglich ist. Benno Schirrmeister