berliner szenen Horror in den Arcaden

Es weihnachtet nicht

Die Schönhauser Allee bemüht sich gar nicht erst um eine weihnachtliche Fassade. Nur vereinzelt stehen struppige Adventsgestecke in den Auslagen, und hier und dort verweist ein verstaubtes Schild auf eine „Geschenkidee“. Selbst der „Preissturz“, einer der beliebten Ramschläden, hält zum Fest – statt der gewohnt großen Auswahl an Lichterketten – bergeweise Schals mit dem Schriftzug von Hansa Rostock und einen größeren Restposten Videoleerhüllen für 69 Cent das Stück bereit. Dafür trägt einer der finsteren Special Agents, die im Schaufenster von „Camouflage Yourself“ sonst für frontbewährte Freizeitkleidung werben, nun einen leicht verschlissenen roten Kapuzenmantel.

Auch in den „Schönhauser Allee Arcaden“ wirkt die Dekoration in diesem Jahr geradezu bedrohlich. Unter dem Motto „Feststimmung im Land der Weihnachtswichtel“ steht auf der Ladenstraße eine ganze Schar von kleinen, bärtigen Puppen mit drogengeweiteten Pupillen, dunklen Augenrändern und psychopathischem Grinsen versammelt. Von versteckten Motoren angetrieben, heben sie fortwährend ihre Hand zu einer Art Hitlergruß oder erschrecken kleine Kinder mit plötzlichen Ausfallschritten.

Einer dieser Wichtel trägt sogar eine Jeansjacke und ist offenbar so programmiert worden, dass er jedem Teenager, der aus dem „New Yorker“ kommt, ein hasserfülltes „Ich bringe dich um“ ins Ohr flüstert. Erst als er seine Morddrohungen für einen Schluck aus seiner Flasche Sternburg Export unterbricht, merkt man, dass er möglicherweise doch nicht Teil des monströsen Dekors ist. Sondern einfach nur zu den Menschen gehört, die sich trotz des nahenden Festes der Liebe einen gesunden Lebensekel bewahrt haben. KOLJA MENSING