Eine Zukunft ohne Aids

Botswana, das Land mit der höchsten HIV-Infektionsrate der Welt, ist Afrikas Musterland der Aidsbekämpfung

GABORONE taz ■ „Miss Stigma Free“ ist berühmt in Botswana. Auftritte in Aufklärungsprogrammen und ihre Arbeit als Aidsberaterin sowie internationale Auftritte füllen ihren Kalender. „Ich bin erschöpft“, sagt die 32-Jährige, die eigentlich Kgalalelo Ntsepe heißt. Aber zu müde werde sie nie. „Ich bin das beste Beispiel, dass wir auch mit dem Virus leben können.“

Als Ntsepe im Juli 2001 erfuhr, dass sie HIV-positiv ist, wog sie nur 48 Kilo und dachte, ihr Leben sei übermorgen zu Ende. Also nahm sie eine Überdosis Schmerztabletten. Das funktionierte nicht. „Gott ließ es nicht zu“, meint sie. Kurz darauf zählte sie zu den ersten Kandidaten für Versuche mit Anti-Aids-Medikamenten in Botswana. Ein Jahr später begann die Regierung, diese Medikamente in Kliniken an alle HIV-Patienten umsonst zu verabreichen. „Miss Stigma Free“ hatte sich schnell erholt und organisierte einen Schönheitswettbewerb für HIV-Infizierte, den sie prompt gewann.

Botswana, eines der wirtschaftlich erfolgreichsten Länder Afrikas, hat die höchste HIV-Infektionsrate der Welt: 35 Prozent der 15- bis 49-Jährigen, schätzt die UNO; 300.000 Menschen sind das – ein knappes Fünftel der Gesamtbevölkerung. Anders als Südafrika, dessen Regierung erst vor einem Monat einen nationalen Aidsplan verabschiedete, schlug Botswanas Führung schon vor Jahren Alarm und erklärte Aids zur nationalen Krise. Ein Rahmenplan bis zum Jahre 2009 legt Schritte und Ziele zur Bekämpfung fest.

Freiwillige HIV-Tests mit Beratung haben Priorität. Sogar Präsident Festus Mogae hat sich öffentlich testen lassen. „Botswana hat von Uganda gelernt“, erklärt Leonard Manthe, Manager der führenden Aidsaufklärungs-Organisation Organisation ACHAP. „Dort gab es erst Aktionen, als es schon fast zu spät war und ganze Dörfer verschwunden waren.“ ACHAP arbeitet mit der Bill- und Melinda-Gates-Stiftung zusammen sowie mit dem Pharmahersteller Merck, der zwei der im Einsatz befindlichen Anti-Aids-Medikamente für einige Jahre umsonst nach Botswana liefert.

„Jeder in Botswana ist infiziert oder betroffen“, erklärt der Staatschef bei jeder Gelegenheit öffentlich. „Zusammen können wir es schaffen“, lauten die Slogans auf Plakaten überall auf den Straßen und in Büros. Mobile Kliniken fahren in die entlegensten Dörfer. Eine regelmäßige Aids-Fernsehshow „Talk Back“ wird in jede Schule ausgestrahlt.

Aids wirkt sich extrem auf Botswanas Wirtschaftslage aus, meint Patson Mazonde, staatlicher Direktor für Gesundheitsversorgung. Botswanas Wirtschaft lebt hauptsächlich vom Diamantenabbau durch Debswana, den größten Diamantenförderer der Welt, jeweils zur Hälfte im Besitz der botswanischen Regierung und des südafrikanischen Bergbaugiganten De Beers. Von Debswanas 6.000 Beschäftigten sind ein Fünftel infiziert. 1999 startete das Unternehmen ein Aidsprogramm für Minenarbeiter. Für 10 Millionen Pula (knapp 2 Mio. Euro) kriegen sie Beratung, freiwillige Tests und Anti-Aids-Medikamente. „Es ist teurer, die Leute nicht zu behandeln“, kalkuliert Firmendirektor Louis Nchindo nüchtern.

110.000 Infizierte in Botswana brauchen Anti-Aids-Medikamente, aber nur 14.000 kriegen sie. Doch 80 Prozent der botswanischen Bevölkerung haben Zugang zur Gesundheitsversorgung in einem Acht-Kilometer-Radius – eine Seltenheit in Afrika. Und für nur 2 Pula Gebühr erhält jeder auch kostspielige Aidsbehandlungen umsonst. 12 Prozent des Staatshaushaltes fließen in die Aidsbekämpfung, und die Regierung will den Betrag jedes Jahr erhöhen. Laut dem botswanischen Entwicklungsplan „Vision 2016“ soll bis dahin eine HIV-freie Generation heranwachsen.

MARTINA SCHWIKOWSKI