: Bad Santa
Weihnachten: Fest der Liebe, der Geschenke und nicht selten Hochzeit des Familienkrachs. Nun sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer schon längst keine glückliche Familie mehr. Sie leben seit Jahren in Trennung oder sind bereits geschieden. Und zum diesjährigen Weihnachtsfest haben sich die Konzernchefs besondere Überraschungen ausgedacht. Innovative Geschenkideen präsentiert vom Möbelhaus Ostermann, vom Mobiltelefonierer Siemens und natürlich von Opel GM
VON KLAUS JANSENUND HOLGER PAULER
Faule Eier zum Fest
Die scheinbar gute Nachricht im Voraus: Der Möbelriese Ostermann plant nach Angaben der vereinten Dienstleistungsgewerkschaft verdi, im Jahr 2006 ein neues Haus in Recklinghausen zu eröffnen. Der Haken: Um den Neubau realisieren zu können, muss der Betrieb an anderer Stelle wohl sparen. Geschäftsführer Rolf Ostermann informierte daher die rund 1.200 Mitarbeiter der Häuser Witten, Bottrop und Haan auf einer eigens einberufenen Betriebsversammlungen über die notwendigen Sanierungsmaßnahmen. Zu den Plänen gehören: Verzicht auf drei Urlaubstage, kein Urlaubsgeld und Verlängerung der Arbeitszeit – ohne Lohnausgleich versteht sich. „Wir leben nicht auf einer Wolke“, sagte Ostermann zur Begründung der drastischen Sparmaßnahmen.
Die Pläne des Konzerns wurden mittlerweile vom Betriebsrat einvernehmlich abgesegnet. Jetzt fehlt nur noch die Zustimmung der Beschäftigten. „Ostermann droht im Falle einer Ablehnung seitens der Mitarbeiter mit dem Abbau von 100 Arbeitsplätzen“, sagt Jochen Welsch, von verdi-NRW. Die Drohung sei allerdings angesichts der angekündigten Arbeitszeitverlängerung nicht gerade sinnvoll, so Welsch weiter. Mittelfristiges Ziel ist es, den Beschäftigten neue Arbeitsverträge anzubieten. Da Ostermann seit dem vergangenen Jahr nicht mehr Vollmitglied im Arbeitgeberverband ist, muss der Betrieb sich nicht mehr an den mit verdi ausgehandelten Flächentarifvertrag halten. Arbeitszeiten von 40 oder 42 Stunden gehören demnächst wieder zur Normalität – zur Weihnachtszeit auch gerne mehr.
Wunschzettel ohne Wert
Siemens will die Technik für 20 Atomkraftwerke an China (friedliche, weil sozialistische Atomenergie, sie wissen schon...) liefern, meldet der Stern in seiner Donnerstagausgabe. Falsch verbunden, oder was? Die knapp 30.000 Siemens-Mitarbeiter in Deutschland können von solchen Nachrichten jedenfalls nur träumen. Statt dessen: Siemens-Finanzvorstand Kar-Heinz Neubürger teilt mit, dass der Konzern Ende Januar über die Zukunft der Handyproduktion in Deutschland entscheiden wolle. Ein Schlag ins Gesicht der Beschäftigten – vor allem in Bocholt und Kamp-Lintfort. Die 4.300 Beschäftigten der beiden Standorte hatten sich mit dem Konzern noch im Sommer auf unbezahlte Mehrarbeit und weitere Einschnitte geeinigt. „Sollte Siemens den Ergänzungstarifvertrag jetzt in Frage stellen, machen sie sich unglaubwürdig“, sagte der erste bevollmächtigte der IG Metall Bocholt, Heinz Cholewa zur taz. Der Abschluss wurde damals überschwänglich als „vorbildlich“ und „patriotisch“ (NRW CDU-Chef Jürgen Rüttgers) bezeichnet. Ein „Dammbruch“ für weitere Tarifverhandlungen in anderen Branchen. Alles nur heiße, oder besser dicke Luft?
Der Gesamtkonzern Siemens wollte die Aussagen des Finanzvorstandes Neubürger nicht kommentieren. Herbert Stücker, Sprecher des Kamp-Lintforter Siemens-Werkes versicherte jetzt allerdings gegenüber der WAZ , dass der auf zwei Jahre angelegte Ergänzungsvertrag auf jeden Fall eingehalten werde: „Wir sind nicht vertragsbrüchig.“
Ob er sich damit jedoch auf Konzernlinie bewegt, ist zumindest zweifelhaft. Laut Angaben der Gewerkschaft IG Metall plant Siemens für bundesweit über 20.000 Beschäftigte tiefe Einschnitte. Unbezahlte Mehrarbeit, Kürzungen im Urlaubs- und Weihnachtsgeld stehen auf dem Programm – alles ohne Jobgarantie. „Die Vorstellungen von Siemens werden von der IG Metall nicht geteilt“, sagt IG Metall-Vize Berthold Huber. Für den 16. und 17. Dezember sind erneute Verhandlungen beider Seiten vorgesehen, die Gewerkschaft plant zum Auftakt einen bundesweiten Aktionstag – auch in Bocholt und Kamp-Lintfort, wo momentan vorweihnachtliche Ruhe herrscht. „Es sind keine aktuellen Aktionen geplant“, sagt Heinz Cholewa. Doch eines scheint bereits jetzt klar: Geschenke wird es eh nicht geben.
Transfer zur Winterpause
Noch ist alles sehr geheim. Gestern entschied das General Motors-Management, heute berät der Opel Betriebsrat, erst morgen werden die Beschäftigten informiert. Was heraus kommt, wenn nichts Sensationelles mehr geschieht? Opel Bochum verliert in den kommenden drei Jahren 4.000 von jetzt noch 9.600 Arbeitsplätzen, bereits im Februar müssen 1.400 Arbeiter gehen. Freiwillig, versteht sich.
Wenn in Detroit alles glatt läuft, stellt General Motors eine Milliarde Dollar für Abfindungen und eine Transfergesellschaft zur Verfügung. Wer will, bekommt zwei Jahre lang 95 Prozent des Lohns und Weiterbildungen – dann heißt es Jobsuche, nach einem weiteren Jahr unter Umständen Hartz IV. Wer bleibt, muss auf Lohn verzichten und hoffen, dass er nicht den richtigen Zeitpunkt zum Abgang verpasst hat. Denn die Zukunft des gesamten Werks bleibt ungewiss: Es gibt noch kein Nachfolgemodell für die Astra-Produktion, die im Jahr 2009 ausläuft. Opel Bochum wird dann noch maximal 5.600 Arbeiter beschäftigen, das Stammwerk Rüsselsheim nur noch gut 4.000. Rüsselsheim ist eine der modernsten Autofabriken Europas, Bochum veraltet. Wer im Fall einer Zusammenlegung wohl vor der Schließung steht?
Das Ende der Fahnenstange ist mit dem jetzt verhandelten Sparpaket ohnehin noch nicht erreicht. Gestern platzte Opel-Aufsichtsratschef Carl-Peter Forster mit der frohen Botschaft in die Gesprächsrunde, dass man sich seitens der Geschäftsführung durchaus mehr als die bislang diskutierte Kostenreduzierung von 500 Millionen Euro pro Jahr wünsche: „Wir wollen aber eindeutig mehr einsparen“, sagte er, na klar. Mal sehen, ob es länger als bei Siemens dauert, bis Nachverhandlungen gefordert werden.
Der Opel-Betriebsrat glaubt trotzdem an eine Zukunft für Bochum. Peter Jaszczyk tut es nicht. Ginge es nach dem ehemaligen Betriebsratschef, eine Neuauflage des Oktober-Streiks wäre nur noch eine Frage der Zeit. Aber Jaszczyk ist nicht mehr Betriebsrat. Am Montagabend versammelte er die Sprecher der Oktober-Streikenden zu einer improvisierten Pressekonferenz unter der Disko-Kugel einer Bochumer Kneipe. Um zu sagen, dass eine Transfergesellschaft „Kündigungen auf Raten“ mit sich bringt. Eingeladen waren „alle Arbeiter, die um ihren Job fürchten.“ Es kamen 25 Kampfeslustige. 25 von 9.600. Frohe Weihnachten.