Klamauk in üppiger Dekoration

Zu den stärksten Nummern der diesjährigen Kölner Stunksitzung zählt die Parodie auf den Film „Der Untergang“. Bis Karneval stehen 45 Vorführungen auf dem Programm, das 2003/04 bissiger war

Von Jürgen Schön

Endlich mal die Roten Funken verhaun! In diesem Jahr gönnt sich das Team der Kölner „Stunksitzung“ diesen Spaß. In den Kostümen ihres karnevalistischen Erzfeindes lassen sie sich als Klangkörper von ihrer Hausband „Köbes Underground“ – in diesem Jahr mit Purple Schulz – mit Plastikrohren betrommeln. Für die alternativen Karnevalisten ein masochistisches, für das Publikum im E-Werk ein akustisch-optisches Vergnügen.

Dieses Stück ist eher eine Nebennummer im neuen, gut vierstündigen Programm zur Session 2004/05. Aber eine, die die Stärken der Karnevalisten zeigt: komödiantisches Talent, musikalischer Einfallsreichtum, Liebe zum Detail und zur großen Ausstattung, perfektes Timing und mindestens ein kleines bisschen Querdenken.

Politik, Karneval, Kardinal Meisner und Kölschbesoffenheit sind auch diesmal die Angriffsziele. Zu den stärksten Nummern zählt die Parodie auf den Hitlerfilm „Der Untergang“. In bester Chaplin-Manier lassen die Karnevalisten den Diktator als Donald Duck im „Führerkäfig“ auftreten – und dessen Darsteller quakt auch in der Talkshow, die ergründen will, ob das die rechte Vergangenheitsbewältigung ist. Grandios die Wählerbeschimpfung eines frustrierten SPD-Politikers, der bei den „Anonymen Sozialdemokraten“ Zuflucht sucht. Sicher nicht ohne Selbstironie der Sketch, in dem arrivierte 68er gegen Bezahlung Polen an ihrer Stelle demonstrieren lassen und darüber sinnieren, ob ihre Eigentumswohnung noch Hütten oder schon Paläste im Büchnerschen Sinne sind. Verhoben haben sich die Stunker dagegen am Thema junge Neonazis: Wenn die Mutter sich Sorgen macht, dass ihr Sohn die Oma verprügelt, weil sie ein Kopftuch trägt, ist das schlicht platt.

Dann gibt es Klamauk, verpackt in üppige Dekoration und oft trashigen Wortspielen. Zynisch und scharf die Bollywood-Liebesgeschichte der dumm-blonden Heidira Klum, fürs kölsche Gemüt die Liebe zwischen Esmeralda und Quasimodo – die natürlich am Kölner Dom spielt. Ach ja, Köln. Darin sind die Stunker bei aller Kritik eben doch verliebt. Daran ändert kein Schramma was, kein Wolfgang Niedecken, keine „Höhner“. Die haben sogar ihre guten Seiten: Als die Flutwelle, die am „Day after tomorrow“ auf Köln zurollt, die Musiker sieht, bleibt sie mit Grausen stehen und dreht ab.

Langjährige Stunk-Besucher treffen auch diesmal wieder auf alte Bekannte. Etwa die obligatorischen Seitenhiebe auf Düsseldorf und Bergheim oder das Dreigestirn, von dem in diesem Jahr allerdings nur der Bauer übrig geblieben ist. Leichte Ermüdungserscheinungen zeigt dagegen Biggi Wanninger (wieder eine souveräne Sitzungspräsidenten) als Trude Herr.

Alternativ sind die einstigen Karnevalsrebellen immer noch. Weil sie nicht der offiziellen Kölner Karnevalsvereinsmeierei angehören. Weil sie neben „klassischem“ Karneval auch Artistik, Comedy, Schwarzes Theater, Kabarett, Varieté und bisweilen sogar einen Hauch von DaDa auf die Bühne bringen. Weil sie zeigen, dass Sitzungskarneval auch vor Weihnachten funktioniert. Doch sind sie inzwischen selber ein unverzichtbarer, gut geölter Teil des rheinisch-karnevalistischen Brauchtums inklusive Schunkeln geworden, über das sie sich durchaus selbstironisch lustig machen können.

Die letztjährige Stunksitzung war insgesamt bissiger. Doch lohnt sich ein Besuch allemal. Bis Karneval stehen insgesamt 45 Vorführungen auf dem Programm. Offiziell sind alle ausverkauft. Doch der „Schwarzmarkt“ vor dem E-Werk verlangt in der Regel keine Wucherpreise.