Druckreif sprechende Faxgeräte

Manchmal so stark wie 250 Terroristen: Der zartfühlende Schreiber Wiglaf Droste las in der Hamburger Bundeswehr-Uni und verursachte damit eine nachdenkliche Diskussion über das Selbstverständnis des Satirikers

Sollten Soldaten Waschbrettköpfe sein, können sie doch klare Fragen stellen

Wiglaf Droste hat seine erste unblutige Erfahrung mit der Bundeswehr gemacht. Drei Anläufe hat der Kolumnist der Wahrheit gebraucht, dafür schloss sich an seine Lesung am Montagabend in der Hamburger Bundeswehr-Universität ein ganz ziviles Gespräch über das Selbstverständnis des Satirikers an.

Einmal habe ihm ein Unteroffizier das Nasenbein gebrochen, erzählt Droste. Er hatte den Soldaten veräppelt, weil der ihm die Freundin ausspannen wollte. Ein andermal hätten ihn Feldjäger misshandelt, als er versuchte durch lautes Jubeln ein Gelöbnis zu stören. Zur Lesung vor gut 100 Zuhörern stellt ihn ein blond gescheitelter Feldjäger-Offizier als jemanden vor, „der Denkfiguren entwickelt, die sich vielen von uns so nicht erschließen“.

Den Lachern nach zu schließen, wird Droste verstanden. „Man muss auch über sich selbst lachen können“, sagt Ilka Wendler von der Interessenvertretung der Studierenden, die zu der Lesung eingeladen hatte: Vier Stücke zur Bundeswehr trägt Droste vor, auch den zur „Affäre Waschbrettkopf“: Nachdem Feldjäger bei einem Gelöbnis 1999 in Berlin eine nackte Demonstrantin misshandelt hatten, bezeichnete der Satiriker die Feldjäger als „Waschbrettköpfe“. Ein Major klagte.

Droste wurde damals zu 2.100 Mark Geldstrafe verurteilt, auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Das ist drei Jahre her. Zur Lesung haben ihn die Bundeswehr-Studenten mit der Droste’schen Frage „Sind Soldaten Faxgeräte oder etwa Waschbrettköpfe?“ eingeladen.

Sollten sie Waschbrettköpfe sein, so können sie doch frei sprechend klare Fragen formulieren. „Was denken Sie dabei“, will Feldjäger-Offizier Ulf Papenfuß wissen, „wenn Sie Soldaten als Zinksarg-Füllmasse bezeichnen oder als Folterer?“

Als Zyniker werde der bezeichnet, der diese Dinge benenne, nicht diejenigen, die den Krieg organisierten, wundert sich Droste. Es gehe auch nicht um einen literarischen Kniff, sondern um den Ausdruck einer ehrlichen Überzeugung. „Eine schwache Formulierung zu benutzen, ist wie einen Elfmeter nicht reinzuhauen“, findet er.

Bei der Folter durch US-amerikanische Soldaten im Irak hat Droste die öffentliche Empörung nicht verstanden: Einen sauberen Krieg werde es nicht geben. „Das hat nichts damit zu tun, dass der Einzelne, der daran beteiligt ist, ein schlechter Mensch wäre“, sagt er. Ob die Idee des sich für den Frieden einsetzenden Soldaten illusorisch sei, will einer wissen. Er misstraue den Begründungen für Kriege, hält Droste dagegen, und er sehe sich darin durch die jüngsten Kriege des Westens bestätigt. Heute werde das Bild vermittelt, der Soldat sei eigentlich eine Art Zivi. „Das ist Propaganda.“

Ob er nicht sein Talent verschleudere, indem er in der Kritik stecken bleibe, will Papenfuß noch wissen. Konstruktive Kritik könne nie grundsätzlich sein, antwortet Droste. Sie entspreche einem „Ja aber“. Aufgabe der Kritik sei schlicht Kritik.

Dabei sind dem Schriftsteller bisweilen schöne Erfolgserlebnisse vergönnt. Mit einer Kolumne über Johannes Raus wegen Terrorgefahr abgesagten Besuch in Djibouti habe er verhindert, dass der damalige Bundespräsident beim taz-Geburtstag in Berlin aufgetreten sei, erzählt Droste und stellt befriedigt fest, ein „zartfühlender Schreiber“ könne bisweilen so stark sein wie 250 Terroristen. Gernot Knödler