Eine Frage der Bildung

GAL fordert Integrationskonzept: Statt mit Sanktionen zu drohen, soll der Senat Migranten politische Beteiligung und Ausbildung bieten

„Die ethnische Herkunft darf nicht entscheidend sein für den Schulerfolg“

Von Eva Weikert

Nebahat Güclü hat die „hysterischen Debatten über Multikulti“ satt. Statt über mangelnde Integration von Einwanderern nur zu klagen, müsse der CDU-Senat „endlich die Probleme konkret angehen“, forderte die grüne Migrationspolitikerin gestern im Rathaus, wo sie mit GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch ein „Aktionsprogramm für Integration“ vorstellte. Kernpunkte sind Beteiligungs- und Bildungsangebote an Migranten. Muslime etwa seien in Hamburg nicht am öffentlichen und politischen Leben beteiligt, rügte Güclü. Nach wie vor prägten Vorurteile und Ängste gegenüber dem Islam den Umgang mit ihnen. Güclü: „Hier muss sich vor allem die Mehrheitsgesellschaft öffnen.“

Mit Blick auf den Bundesparteitag der CDU in Düsseldorf, wo die Union gestern vor einem „Niemandsland Multikulti“ warnte und von Migranten das Bekenntnis zur „deutschen Werteordnung“ einforderte, mahnte GALierin Goetsch: „Die CDU hatte 16 Jahre Zeit, Einwanderung zu gestalten. Wenn sie jetzt mit dem Finger auf die MigrantInnen zeigt, versucht sie, vom eigenen Versagen abzulenken.“ Wie Güclü ergänzte, „zieht man sich aus der Verantwortung, indem man die multikulturelle Gesellschaft als gescheitert erklärt“.

Dass in Hamburg Multikulturalität „Realität“ ist, belegte die Abgeordnete mit Zahlen. So leben hier Menschen aus 182 Nationen, ein Viertel der Bevölkerung hat einen Migrationshintergrund. Auch den Zuziehenden müsse Toleranz und das Bekenntnis zum Grundgesetz abverlangt werden, betonte Güclü. Einwanderer seien es aber, die in der Mehrheitsgesellschaft „sehr viel stärker mit Diskriminierung leben müssen“. So genannte Parallelgesellschaften entstünden durch soziale Not: Migranten seien in Hamburg doppelt so häufig von Arbeitslosigkeit betroffen, auch sei die Zahl der Schulabbrecher überproportional hoch.

Statt zu korrigieren, habe der Senat die Integration „verbaselt“, rügte Fraktionschefin Goetsch. Als Beispiele nannte sie den Abbau von Sprachförderung „von den Kitas bis zur Volkshochschule“ und „massive“ Mittelkürzungen für die Integrationszentren in den Stadtteilen, die Sozialberatung und Deutschkurse bieten. „Wer von Einwanderern Deutschkenntnisse verlangt“, so Goetsch, „muss auch Möglichkeiten zum Erlernen der Sprache schaffen.“

Die GAL fordert darum eine Initiative zur Sprachförderung in Kitas und Schulen. So müsse die als „Havas“ bekannte Methode zur Sprachförderung flächendeckend in allen Kitas eingeführt werden. Und in den Schulen sei die 40-prozentige Kürzung der Sprachförderstunden zu revidieren. Gleichzeitig sei das dreigliedrige Schulsystem abzuschaffen. „Heute wird nach Klasse vier aufgrund von Sprachkenntnissen aussortiert“, warnte Goetsch. „Soziale wie ethnische Herkunft dürfen nicht entscheidend sein für den Schulerfolg.“

Für den Bildungserfolg der Kinder seien auch die Eltern „offensiv“ einzubeziehen. Dies könne durch die Etablierung von Elterntreffs in Kitas und Schulen erreicht werden. Nur durch den „Dialog“, so Güclü, seien Muslime dafür zu gewinnen, ihren Töchtern Schwimmunterricht zu erlauben. „Die Schulpflicht gilt ja für alle“, stellte sie klar.

Damit sich Migranten mit „gängigen Werten und Normen identifizieren können“, müssen sie nach Ansicht Güclüs mehr mitreden dürfen. „Das schafft Verbundenheit und Vertrauen.“ Die GAL pocht darum auf gezielte Einstellung von Zugewanderten im Öffentlichen Dienst und ihre Beteiligung in allen gesellschaftlichen Gremien wie Landesrundfunkrat oder Jugendhilfeausschüssen. Besonders wichtig sei die Beteiligung der muslimischen Gemeinden. Noch hat deren Vertretung, die Schura, aber in keinem öffentlichen Gremium der Stadt eine Stimme.