Inhalt deutscher Ausländerpolitik

betr.: „Studie: Frauen sind rassistischer“, „Es geht um die Aufwertung der Eigengruppe“, taz vom 4. 12. 04

Klar ist der weitere Anstieg rassistischer Überzeugungen in der bundesrepublikanischen Bevölkerung erschreckend und entsetzlich – hierin stimme ich Herrn Heitmeyer und dem Autor zu. Aber verwunderlich?

Hier werden gesellschaftlich Krokodilstränen vergossen! „60 Prozent der Deutschen meinen, es leben zu viele Ausländer in Deutschland“? Das sehen doch höchstens 20 Prozent der bundesdeutschen ParlamentarierInnen anders! „Wenn Arbeitsplätze knapp werden, sollte man die in Deutschland lebenden Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken“ – eine reine NPD-Parole? Was verkündet denn Otto Schily in jeder zweiten Verlautbarung anderes?

Die Ergebnisse der Untersuchung werden durchaus stimmen – überraschen würde es, wenn sie anders wären. Denn was wurde in den letzten Jahren diskutiert und nahezu geschlossen im Bundestag für gut – von vielen allerdings für nicht repressiv genug – befunden? Ein „Zuwanderungsgesetz“, welches genau diese Geisteshaltung zum Ausdruck bringt! „Wir brauchen mehr Ausländer, die uns nützen und weniger, die uns ausnutzen.“ Aufenthalt nur, wenn der Arbeitsmarkt es erfordert, dafür aber Abschiebungen um jeden Preis, Residenzpflicht, Abschiebelager, Kriminalisierung! Sind das etwa Randpositionen des parlamentarischen Geschehens? Nein, es ist der faktische Inhalt deutscher Ausländerpolitik von Regierung und Opposition! Dieser eiskalte Nützlichkeitsrassismus ist es, der der breiten Bevölkerungsmehrheit gepredigt und von ihr mehr und mehr geteilt wird. Bleibt die Frage nach Huhn oder Ei, ob Brandstifter oder bloß Brandbeschleuniger.

Allerdings: Das breite, reflexhafte Entsetzen über die Ergebnisse solcher Studien in nahezu allen Medien bei gleichzeitiger Unterstützung des so eingeengten migrationspolitischen Diskurses – wie auch jetzt in der „Integrationsdebatte“ – ist entweder heuchlerisch, schizophren oder bestenfalls einfältig. Eine kritisch-grundsätzliche, geschweige denn kämpferische Auseinandersetzung mit den angeblich als so verwerflich empfundenen Positionen findet nicht statt!

JENS DRÜKE, Bielefeld

Das Grauen beginnt schon mit der These, die Zahl der Antisemiten sei gestiegen, weil es Anhänger der Behauptung „Juden nähmen zu viel Einfluss in Deutschland“ gibt. Mir als Sozialwissenschaftlerin wird Angst und Bange bei den Erfindern dieser Fragen. Und wie sind die Befragten auf diese Frage vorbereitet worden? Wer ist ausschließlich gefragt worden und wie wird jüdischer Einfluss definiert? Mal davon abgesehen, dass er so marginal ist, dass er nicht spürbar ist, ist es wohl eine der hohlsten Phrasen, die man sich nur denken kann. Wird gesondert hebräischer Religionsunterricht gefordert? Wie ist das Verhältnis von Matze- und Dönerbuden oder von Kirchen und Synagogen in Deutschland? Da werden denen, die eh nicht zum reflektierten Denken neigen, Flöhe in die Ohren gesetzt und eine Hetze losgetreten, die sich gewaschen hat.

Dies gilt auch – oder vor allem bei der Plattitüde, Frauen wären „Fremden und Muslimen“ gegenüber feindseliger. Da bezichtigen männliche Wissenschaftler die Frauen des Rassismus. Wer in Rassenrastern denkt und kategorisiert, ist wohl vom Objekt seiner Begierde selbst nicht weit entfernt. Bei NPD-Aufmärschen sehe ich ausschließlich Männer. Gewalttaten jeglicher Art sind männlich beherrscht, und das nicht nur mit einem kleinen Zahlenvorsprung. Dass sich heute mehr Frauen als noch vor wenigen Jahren ein kritisches Bild über den Islam machen, zeigt doch nur, dass eben diese Frauen endlich wieder ein Gerechtigkeitsempfinden entwickeln für ihr diskriminiertes Geschlecht. Denn der Multikulti- und Toleranzbewegung in den 80ern ist die Gleichberechtigung zum Opfer gefallen. Misogynie ist die Wurzel des Rassismus, und Frauen leiden entschieden seltener an Misogynie als Männer. […]

Dass sich die Meinung über den – zum Teil durch die Presse extrem verhetzten – Islam seit 2001 geändert hat, liegt auf der Hand. Bevor die Wissenschaftler und Publizisten auf Biegen und Brechen solche geschlechterspezifischen phobiegetränkten Sinnesänderungen in der Bevölkerung verifizieren wollen, sollten sie sich ehrlich fragen, wie sie Männ(s)chenrechte definieren.

MARTINA MÖLLER, Islamwissenschaftlerin, Berlin