99 Zimmer in einer Galerie

Heinz Bossert zeigt noch bis Jahresende Zeichnungen von Hiltrud Gauf. Im Januar ist er seit zwei Jahren im Geschäft und will sich dann ganz der Kunst widmen

KÖLN taz ■ „Ich hab einfach Lust auf Kunst!“ Wenn Heinz Bossert von dieser Lust spricht, sind das nicht nur Worte. Der begeisterte Tonfall reißt den Zuhörer mit, der ganze Körper unterstützt den Elan. Im Januar feiert seine kleine Galerie „Holbein 10“ – so benannt nach ihrer Adresse in Nippes– nach 15 Ausstellungen mit Fotos, Zeichnungen, Gemälden und Objekten ihren 2. Geburtstag. Und dann will der 53-Jährige aus seiner Feierabend-Leidenschaft einen Vollerwerb machen.

Angefangen hatte er „programmatisch“ mit Künstlern aus dem Veedel. Davon ist er schon lange abgewichen, zeigt Kunst aus der weiteren Region, blickt über die Grenze nach Holland. Jung sollen die Künstler aber sein und ein Konzept haben. Auch in Sachen Stil hat Bossert das Angebot gesichtet. „Mich interessiert eher Abstraktes“, sagt er, für den „Kunst im Leben immer schon eine große Rolle gespielt hat.“ Abstrakt versteht er dabei vor allem als Gegensatz zu Künstlern, die „dem Betrachter konkrete Vorgaben machen“, bei denen man nichts mehr suchen muss, die keine Spannung bieten, nichts offen lassen.

Dieses Geheimnis, das auf Enthüllung wartet, sieht er auch in den aktuell ausgestellten Bleistiftzeichnungen Hiltrud Gaufs Sie „illustriert“ das Kultbuch „Das Leben. Gebrauchsanweisung“ von Georges Perec: 99 Romane über Zimmer eines Pariser Hauses und deren Bewohner. In einer raffinierten Mischung aus Frontal- und Aufsicht sowie Zentralperspektive zeigt sie, was sie dort sieht: Das Chaos nach einer Party, die Solo-Orgie unter Gummipuppen, die fein geordnete Bibliothek, das Dienstmädchenzimmer unterm Dach, Treppenhäuser, Wohnungstüren mit Namensschildern, das Gerümpel in der Kellerkoje. Manchmal zeichnet Gauf penibel jedes Parkettbrettchen nach, manchmal reichen ihr nur ein paar Striche, um den Betrachter in den Sog möglicher Geschichten hineinzuziehen: Ein Abenteuer nicht nur für Kenner des Romans. Und bei 130 Euro pro Zeichnung ein preiswertes dazu. JÜRGEN SCHÖN

„Holbein 10“: Holbeinstr. 10, Di-Fr 18-20 Uhr, Sa 11-15 Uhr, und nach Vereinbarung. Tel. 0221 / 991 47 40. Die Ausstellung „11, rue Simon-Crubellier“ von Hiltrud Gauf endet am 30. Dezember