: Schleichwege durch das Kita-Loch
Jeder neue Gutschein war ein Fehler: Begründung für 20-Millionen-Nachtragshaushalt bringt etwas Licht in Langes Kita-Dschungel
Am 30. Dezember wird in der Bürgerschaft der zweite Kita-Nachtragshaushalt verabschiedet. In einer Drucksache erklärt der Senat erstmals, wie das erneute Defizit in Höhe von 20 Millionen Euro entstand. Ergänzt um die Erklärungen für das erste Kita-Loch von 19,5 Millionen ergibt sich ein halbwegs schlüssiges Bild über das Desaster.
Ex-Bildungssenator Rudolf Lange (FDP) hat unterschätzt, dass Menschen nach Auswegen suchen, wenn eine Reform ihre Arbeitsplätze bedroht. So nennt der Senat als eine Ursache, dass die Kita-Träger bis zum 31. Juli die bis dahin gültigen Spielräume zur Überbelegung „extensiv“ ausnutzten. Im Durchschnitt waren im ersten Halbjahr mit 50.418 aber nur 600 Kinder mehr im System als 2002. Dies kostet 3,9 Millionen Euro.
Weit bedeutender dürfte die Erhöhung der Leistungsentgelte für die Träger sein. Lange ging davon aus, dass sich dies durch die Verlagerung von teuren Ganztags- hin zu billigeren Teil- und Halbtagsplätzen refinanziert. Als Gründe für den „Nichteintritt“ dieser Erwartung nennt der Senat die Übergangsregelung für 11.465 nicht mehr Kita-Gutschein-taugliche Kinder. Diese habe sich „nachträglich als zu großzügig gestaltet“ erwiesen. Der Senat vermeidet es, die Pflegesatzerhöhung einzeln auszuweisen. Stattdessen nennt er die „Kumulation“ der beiden Effekte, die allein in den fünf Monaten von August bis Dezember mit 12,1 Millionen Euro den größten Batzen ergeben.
Bemerkenswert ist weiter, das Lange offenbar nicht vorhatte, etwaige Effizienzgewinne zu nutzen, um mehr Kinder zu versorgen. Ging er doch bei seinen Berechnungen von konstanter Kinderzahl aus. Sogar die Erstbewilligung für 1.500 Hortkinder berufstätiger Eltern, die zuvor einen Platz in einer Kita hatten, sieht der Senat im Nachhinein als Fehler an.
Auch die Senkung der Elternbeiträge um zehn Prozent war eine Fehlplanung. Sie sollte sich von allein refinanzieren, weil berufstätige Eltern mehr zahlen. Doch die kamen kaum ins System. Es enstand ein „Mehrbedarf“ von drei Millionen Euro. Ergänzt durch weitere 600.000 Euro für behinderte Kinder und 600.000 Euro für Modellprojekte erklärt sich die Summe von 20,2 Millionen.
Weniger offen war der Senat noch bei der Erklärung des ersten Kita-Lochs von 19,5 Millionen Euro, zu dem die SPD im Juli eine Kleine Anfrage stellte. Nachdem es in 2001 Überschüsse durch gestiegene Elternbeiträge gab, entnahm Lange in 2002 dem Etat fünf Millionen Euro für ein Junglehrerprogramm, die später fehlten. Diese Summe wurde als „Abrechnungsrückstand“ getarnt. Weitere sechs Millionen fehlen, weil „demographisch bedingte“ Rückläufe falsch eingeschätzt wurden. Lange startete mit weniger Geld als im Vorjahr ins neue System. Weitere vier Millionen Euro ergeben sich aus „Sachkostensteigerungen“ und erlassenen Sparschulden der Träger, „Übergangshilfen“ für entlassene Hauswirtschaftskräfte schlagen mit weiteren 1,5 Millionen Euro zu Buche, verzögerte „Effizienzeffekte“ mit weiteren 2,5 Millionen Euro.
Somit wären die 39,7 Millionen Mehrkosten erklärt, die Lange erzeugte, ohne mehr Kinder zu versorgen (siehe Kasten). Da das System erst fünf Monate läuft, werden sich in 2004 die nicht einmaligen Effekte wie die Pflegesatzerhöhung mindestens verdoppeln. Auch warnen Experten bereits vor dem dritten Kita-Loch in zweistelliger Millionenhöhe. Dieses entstehe, weil Gerichte über den Umweg der kurzfristigen Buchung einer Tagesmutter bislang aus dem System ausgesperrten berufstätigen Erstantragsstellern einen Schleichweg bahnten. kaija kutter
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