Ich weiß nicht, wem ich gehöre

Bundeskartellamt stoppt erneut die Übernahme des Berliner Verlags durch die Holtzbrinck-Gruppe. Nicht genehmigungsfähig, hieß es am Freitag. Endgültige Entscheidung wird für Februar erwartet

VON STEFFEN GRIMBERG

Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre / Ich bin doch zu schade für einen allein / Wenn ich jetzt gerade dir Treue schwöre / Wird wieder ein anderer ganz unglücklich sein. – Nein, diesen alten Marlene-Dietrich-Schlager haben sie noch nicht gesungen – weder bei derBerliner Zeitung noch beim Tagesspiegel. Obwohl er passt: Schon zum zweiten Mal droht das Bundeskartellamt den längst vollzogenen Verkauf der Berliner Zeitung nebst Verlag an den Stuttgarter Holtzbrinck-Konzern scheitern zu lassen.

Dass der Tagesspiegel jetzt offiziell dem ehemaligen Holtzbrinck-Manager Pierre Gerckens gehört, hat die Wettbewerbshüter nicht weiter beeindruckt: Zu nah sei der Mann, den sie früher „Mr. Handelsblatt“ nannten, am Stuttgarter Konzern.

Die jüngste Entwicklung trifft die beiden Blätter höchst unterschiedlich. Als die Nachricht gestern bei der Berliner Zeitung eintraf, habe es schon nicht einmal mehr für leichte Aufregung gereicht, „wieder einmal ändert sich für uns zunächst nichts“, sagt Chefredakteur Uwe Vorkötter. Die vergangenen zwei Jahre, in der das Blatt und seine beiden Verlagsgeschwister Kurier und Tip von ihrer Konzernfreiheit profitieren konnten, haben sich bei den meisten als eher angenehme Erinnerung niedergeschlagen. Doch Insider warnen: Die Zeit der Konsolidierung des Blattes ist zu Ende, doch die Frage nach dem „Was kommt jetzt?“ kann wegen Fortdauer der Hängepartie auch weiterhin nicht beantwortet werden.

Härter getroffen ist Holtzbrincks bisheriges Berliner Flaggschiff Tagesspiegel. Denn hier ist eine vom Konzern offenbar als durchsetzbar eingeschätzte Lösung vom Tisch, die Bedingungen für das Blatt dürften sich also in jedem Fall verschlechtern. Und das, obwohl sich viele gerade erst mit dem Gedanken angefreundet hatten, unter Gerckens zu arbeiten.

Bisher trägt Gerckens nicht das volle unternehmerische Risiko, hier setzen die Beanstandungen des Kartellamts an. Die Frage sei nun, „ob die Auflagen des Kartellamts am Ende noch so sind, dass Gerckens überhaupt in der Lage oder willens ist, weiter mitzumachen“.

„Die Chefetage ist weiter optimistisch“, sagt ein Tagesspiegel-Mitarbeiter. Auch bei der Berliner Zeitung sieht man die gestrige Warnung als „kleinen Zwischenschritt“. Schließlich falle die endgültige Entscheidung erst im kommenden Februar.

Im schlimmsten Falle kann man sich ja immer noch mit der Dietrich trösten: Ja soll denn etwas so Schönes nur einem gefallen? / Die Sonne, die Sterne gehören doch allen. / Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre, / ich glaub ich gehöre nur mir ganz allein.

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