Union installiert Multikulti

Höchste Zeit, dass die Deutschen ihr Problem mit dem Patriotismus lösen, sagen die Türken in der CDU. Sie haben jetzt eine Vertreterin im Vorstand

„Wer unsere freiheitliche demokratische Leitkultur ablehnt oder sie gar verhöhnt, für den ist in unserem Land kein Platz“

AUS DÜSSELDORF ULRIKE WINKELMANN

Frau Demirbüken-Wegner ist eine geduldige Person. Deshalb beantwortet sie auch die Frage, wie sie denn als Muslima mit einem Christen verheiratet sein könne, ohne Augenrollen. Sie hat 16 Jahre als Integrationsbeauftragte im Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg gearbeitet. Sie weiß, dass die Menschen unterschiedlich lange brauchen, um sich über Muslime in Deutschland eine fundierte Meinung zu bilden.

„Wissen Sie“, sagt sie, „das Christentum und der Islam haben so viel Gemeinsames. Zum Beispiel sind alle Zehn Gebote auch im Islam vorhanden.“ Wieder etwas über Integration gelernt. Und Frau Demirbüken-Wegner kann endlich, nachdem sie stundenlang vom Pressepulk umlagert war und auf Deutsch und Türkisch Interviews gegeben hat, mit ihren Berliner CDU-Chefs zum geselligen Abend des Parteitags gehen. Die räuspern sich schon vernehmlich.

Stolz sind sie aber auch, dass eine aus Berlin ganz ohne große Umstände ins Leitungsgremium der Partei gewählt wurde: Emine Demirbüken-Wegner ist die erste Deutschtürkin im Bundesvorstand der CDU. Und das, obwohl sie noch vor kurzem die Chefin Angela Merkel für die Idee kritisiert hat, Unterschriften gegen den Türkei-Beitritt zur EU zu sammeln.

In ihrer kurzen Kandidatinnenrede hielt sich Demirbüken-Wegner in dieser Frage lieber bedeckt: Ihre Linie ist jetzt, dass niemand sich für oder gegen etwas festlegen muss, was in 15 Jahren passiert. Zwischenapplaus bekommt sie, als sie sagt, wie „unendlich dankbar“ sie für die Möglichkeiten sei, die Deutschland ihr gegeben habe. Die Art und Weise, wie auf dem Parteitag eine „Schicksalsgemeinschaft“, eine Christlichkeit und eine Leitkultur beschworen werden, empfindet sie nicht als ausgrenzend. Hauptsache, sagt sie, „wir führen eine Debatte über Integration, bei der wir die Mehrheit mitnehmen“. Die CDU solle nun den Türken und anderen Migranten ruhig vorleben, was Patriotismus bedeute. Außerdem sei die Türkei „selbst eine vaterlandsliebende Gesellschaft.“ Die Türken würden also verstehen, dass man mit ihnen darüber reden will.

Es ist eine Sache der Emotionen, erklärt auch Bülent Arslan. Er ist Vorsitzender des Deutsch-Türkischen Forums der CDU in NRW, das sich gerade als „Deutsch-Türkische Union“ (DTU) bundesweit ausdehnen will, um alle 2.000 türkischstämmigen Unionsmitglieder zu erreichen. Höchste Zeit, dass die Deutschen ihr Problem mit dem Patriotismus in den Griff bekämen, das „man im Ausland sowieso keinem erklären kann“, sagt Arslan.

Über die Ambitionen der DTU sagt Arslan: „Wir wollen die Speerspitze der Integrationsbewegung sein.“ Ganz oben in ihrem Forderungskatalog steht die Anerkennung des Islam als Körperschaft öffentlichen Rechts. Dann hätte auch der Islam in Deutschland „einen Ansprechpartner“, sagt Arslan. Bislang seien die muslimischen Organisationen aber noch zerstritten.

Als die Nachricht der Gründung einer „Deutsch-Türkischen Union“ auf dem Parteitag die Runde macht, reagieren viele Delegierte zunächst abwehrend. Ein kleines Missverständnis: Anders als die Senioren- oder die Frauen-Union wird die DTU keine Vereinigung mit festen Satzungsrechten in der Partei sein. Es handle sich bloß um eine „Namensänderung“, sagt Arslan. Freilich eine, in der ein gewisser Anspruch enthalten ist.

Die Tragweite einzelner Begriffe wird gegen Ende des Parteitags auch von einem in Frage gestellt, der sich früher gerne mit griffigen Slogans zitieren ließ: Jürgen Rüttgers („Kinder statt Inder“) findet es plötzlich „müßig“, darüber zu streiten, ob Deutschland ein Einwanderungsland ist oder nicht – die Einwanderer kämen halt. Das Wort „Leitkultur“ sei vielleicht problematisch, aber „Wortklauberei“ nütze nur dem Gegner.

Rüttgers stellte den Antrag des Vorstands „Im deutschen Interesse: Integration fördern und fordern, Islamismus bekämpfen!“ vor: Islamischer Religionsunterricht in deutscher Sprache von Lehrern, die in Deutschland ausgebildet wurden, Zwangsverheiratung als Straftatbestand, verpflichtende Integrationskurse, keine Einschulung für Kinder, die noch kein Deutsch können, Unterstützung für die Polizei bei der Islamistenjagd – all das wird anstandslos durchgewunken. Auch die Formulierung, wer „unsere freiheitliche demokratische Leitkultur ablehnt oder sie gar verhöhnt, für den ist in unserem Land kein Platz“ findet keinen Widerspruch mehr.

Das meiste von alldem, was in den letzten Wochen plötzlich die Debatte beherrschte und sich nun à la CDU in deren Leitantrag wiederfinde, „haben wir schon seit Jahren gefordert“, sagt Demirbüken-Wegner. Gut aber, wenn Integration nun Gegenstand der großen Politik werde. Es lohnt sich, auf alle zu warten.