Schröder wittert Win-Win mit Wen

Auf seiner Chinareise schwärmt der Kanzler von Wirtschaftskooperation in einer „gerechteren Welt“. Seine Worte richtet er an knallharte Parteimanager

AUS PEKING GEORG BLUME

Der Kanzler wittert Kritik. Oder hat er ausnahmsweise doch ein komisches Gefühl im Beisein der gelben Bosse? Dicht gedrängt stehen sie hinter ihm in der Großen Halle des Volkes in Peking, nicht nur die deutschen, auch die chinesischen Topmanager, die in den nächsten Jahren daran verdienen wollen, das deutsch-chinesische Handelsvolumen auf 100 Milliarden Euro zu verdoppeln. Das Ziel hat Schröder selbst gesetzt. Doch nun fragt er: „Was heißt hier nur Wirtschaft?“ Der Kanzler fühlt sich von seinen Kritikern gefordert, die ihm vorwerfen, seine Chinapolitik zu sehr wirtschaftlichen Interessen unterzuordnen. „Viele Menschen leben davon“, verteidigt sich Schröder und meint die mehr als zwanzig Regierungs- und Unternehmensverträge, die gerade vor seinen und den Augen des chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao unterzeichnet wurden. Es geht um Milliarden, vom Airbus-Geschäft bis zur Fahrschullehrerschulung. Sogar die Auto-Bild soll es nun in China geben. Der Kanzler empfindet das alles als „Ausdruck eines richtig verstandenen Patriotismus“.

Doch wer sind die Patrioten in den dunklen Kaderanzügen, die da mit den Deutschen in Maos altem Prunkbau Unterschriften austauschen? Sind es selbstständige Unternehmer? Keinesfalls. Ehrliche Kommunisten? Fehlanzeige. Vielmehr kooperieren die Deutschen mit der Spezies parteigebundener Firmenmanager, die in China den Auftrag haben, der Wirtschaft strategische Impulse zu geben. Sie sollen nicht nur an ihr Unternehmen denken, sondern Technologie entwickeln und weitergeben, wo sie China nutzt.

Thomas Kalkbrenner weiß das und ist fast ein wenig resigniert. „Den Abfluss der Technologie“, sagt Kalkbrenner, „werde ich nicht verhindern können.“ Trotzdem ist der Chef des Weichenbauunternehmens BWG aus Butzbach mit dem Kanzler nach Peking gekommen. Seine Firma baut Weichen für Hochgeschwindigkeitszüge. 12.000 Kilometer Strecke sind in China für diese Züge geplant, in Deutschland gibt es bisher nur 1.000. Ab 2006 wollen die Chinesen die Weichen selber bauen. Kalkbrenner zweifelt nicht an ihrer Wettbewerbsfähigkeit. „Die Lohnkosten liegen in China bei fünf, in Deutschland bei 45 Prozent“, klagt er. Also bleibe ihm nur eine Wahl: schnell in China ein Joint Venture gründen, damit die Chinesen seine Technik nehmen und ihre Strecken nicht im Alleingang mit Weichen ausstatten. Sonst hätte BWG keinen Zugang zum wichtigsten Markt der Welt und obendrein die Chinesen als Konkurrenten auf anderen Märkten. Nun drängt die Zeit. Kalkbrenner sagt, er suche seit zehn Jahren einen Partner in China, jetzt habe er noch sechs Monate.

Von dieser Art latenter Verzweiflung ist beim Kanzler in China nichts zu spüren. Schröder spricht von Win-Win-Situationen, zum Beispiel bei der Grundsteinlegung für ein neues Mercedes-Benz-Werk in einem Pekinger Außenbezirk. Zum ersten Mal sollen die teuren Autos mit dem Stern mit einem ausländischen Partner gefertigt werden. Alle anderen Fabriken für Benz-Limousinen auf der Welt sind im vollständigen Besitz der Deutschen. Nur China trotz ihnen eine Fünfzig-Prozent-Teilhabe ab. Martin Posth, Vorsitzender des Asien-Pazifik-Forums Berlin und ehemaliger Volkswagen-Chef in China, sieht große Schwierigkeiten auf die Stuttgarter zukommen. Peking habe die Vorschriften für den Anteil an lokal gefertigten Teilen für Pkw-Joint-Ventures verschärft, künftig müssten 60 Prozent der Einzelteile eines hier gebauten Mercedes aus chinesischen Fabriken kommen. Posth meint, manchmal müsse man auf den Tisch hauen und sagen, so ginge es nicht. Doch die DaimlerChrysler-Leute sind froh, in Peking überhaupt eine Fabrik bauen zu dürfen. „Das hilft auch, Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern“, sagt Schröder. Genauer wird er nicht.

Als Kanzler ist er zuständig fürs Allgemeine. Dem gibt er bezüglich Chinas einen neuen Namen: „Strategische Partnerschaft bedeutet, dass wir unsere Beziehungen auf allen Feldern konsequent ausbauen“, sagt Schröder in einem von seinen Diplomaten als Grundsatzrede angekündigten Vortrag vor Unternehmern in Peking. Es ist tatsächlich eine Bekenntnisrede: Schröder sieht Chinas phänomenales Wachstum – es wird auch in diesem Jahr über neun Prozent liegen – und glaubt fest: Nur wer hier mitmacht, hat eine Chance, die Globalisierung zu gestalten. Trotz des Adjektivs „strategisch“: Ihm geht es nicht um Geopolitik und taktische Großmachtspiele, sondern um „das Prinzip der Teilhabe“. „Das Ziel, das uns verbindet“, sagt Schröder in schönem Sozialdemokratisch, „ist, die Welt gemeinsam gerechter zu machen.“ Weiß er, dass er in Peking nicht mehr zu Kommunisten, sondern zu Parteimanagern spricht?