Strategische Symbolik mit hoher Sprengkraft

Beim EU-China-Gipfel heute in Den Haag drängt Peking auf das Ende des Waffenembargos. Europäer versprechen ein „positives Signal“

BERLIN taz ■ Beim Treffen mit Kanzler Schröder hat Chinas Premierminister Wen Jiabao in Peking erneut ein Ende des EU-Waffenembargos gegen die Volksrepublik gefordert: dies sei ein „Produkt aus den Zeiten des Kalten Krieges“. China wolle von der EU als Partner anerkannt und nicht durch ein Embargo diskriminiert werden. Schröder musste von Wen nicht mehr überzeugt werden. Der Kanzler fordert seit einem Jahr ein Ende des Embargos und wiederholt dies auch zum Ärger seines Koalitionspartners immer wieder. Dabei hatte der Bundestag im Oktober mit rot-grüner Mehrheit ein Ende des Embargos von Kriterien abhängig gemacht, die weder China noch die EU derzeit erfüllen. Doch das bindet Schröder nicht.

Wichtiger als das Gespräch mit dem Kanzler ist für Wen heute der EU-China-Gipfel in Den Haag. Beim Treffen mit Ratspräsident Balkenende, EU-Kommissionspräsident Barroso und dem EU-Außenbeauftragten Solana will Wen das Embargo möglichst zum Jahreswechsel beendet sehen. Der niederländische Außenminister Bernard Bot hat für heute ein „positives Signal“ angekündigt. Darunter wird verstanden, dass die Entwicklung in Richtung von Chinas Wünschen geht, aber nicht mit einem Embargoende in 2004 zu rechnen ist.

Das nach der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989 verhängte Embargo kann nur der Europäische Rat der 25 Staats- und Regierungschefs aufheben – einstimmig. Er tagt am 16./17. Dezember in Brüssel. Treibende Kraft für eine Aufhebung ist Frankreich, als Embargobefürworter gelten Großbritannien, die Niederlande und skandinavische Länder. Zugleich ist Frankreich der größte Blockierer. Denn einige Staaten wollen das Embargo erst beenden, wenn der EU-Verhaltenskodex für Waffenexporte und die Regeln für so genannte Dual-Use-Güter verschärft werden. Da bremst Paris, denn dies würde alle Waffenexporte betreffen, nicht nur die nach China. Dabei ist der Kodex ohnehin nicht bindend.

Wen versucht die Europäer damit zu beruhigen, dass China momentan nicht beabsichtige, Waffen aus Europa zu importieren. Befürworter eines Embargoendes sehen darin denn auch vor allem Symbolik. Sie verweisen auf den Widerspruch, dass die EU in ihrer China-Strategie von 2003 Peking eine strategische Partnerschaft anbietet, China durch das Embargo aber auf eine Stufe mit Birma, Simbabwe oder Sudan stellt, für die auch ein EU-Waffenembargo gilt.

Das China-Embargo sei deshalb „nicht mehr zeitgemäß“, heißt es aus dem Umfeld des Kanzlers. Auch berücksichtige es Chinas Entwicklungen im Menschenrechtsbereich nicht. Genannt werden größere persönliche und wirtschaftliche Freiheiten sowie juristische Reformen. So seien die Menschenrechte jetzt explizit in der Verfassung erwähnt und es würden Vorbereitungen getroffen, den UN-Pakt für bürgerliche und politische Rechte zu ratifizieren. Letzteres ist eine Bedingung der Bundestagsresolution. Doch Menschenrechtler verweisen darauf, dass in China Gesetze und Rechtspraxis auseinander klaffen. Deshalb reiche eine Ratifizierung nicht. Chinas Außenamtssprecherin hingegen machte kürzlich klar: „Es liegt nicht an der chinesischen Seite, Konzessionen zu machen“, zudem gebe es keinen Grund, das Embargo mit Menschenrechten zu verbinden. Dabei war es genau deshalb beschlossen worden. Peking versucht mit Druck und wirtschaftlichen Verheißungen ein Embargoende zu erreichen. Die Deutschen lockt Peking mit einer Verdoppelung des Handels bis 2010 – mit dem Hinweis, eine Beibehaltung des Embargos würde die Beziehungen beeinflussen.

Embargobefürworter verweisen auf schwere Menschenrechtsverletzungen in China, die Hinrichtungen, Folter, die Unterdrückung von Tibetern, Uiguren und Falun Gong sowie die Gefahr der Weitergabe von Waffentechnologie an Birma, Nordkorea und Sudan. Für das Embargo sprechen auch die Drohungen gegen Taiwan, das Peking als abtrünnige Provinz sieht. China hat etwa 600 auf die Insel zielende Raketen aufgestellt, deren Zahl jährlich um 50 steigt. Chinas Rüstung zielt darauf, die Insel zu erobern oder ihr so zu drohen, dass sie zu Zugeständnissen gezwungen ist.

Für die EU geht es nicht nur um Waffen für eine potenzielle Kriegspartei, sondern um das Verhältnis zu den USA: Die haben sich zum Schutz Taiwans verpflichtet, was im Konfliktfall heißen könnte, dass französische Waffen US-Soldaten töten. Auch geht es um strategische Fragen. Die USA wollen ihren technologischen Vorsprung gegenüber dem Rivalen China behalten. Eine Stärkung von Chinas Militär durch Europa lehnt Washington deshalb ab und droht der EU mit Sanktionen bei militärsensibler Technologie. Damit geht es um die Folgen von Chinas Aufstieg für die globalen Machtverhältnisse. Franzosen träumen von einer engeren Beziehung zu China als Gegengewicht zur US-Dominanz. So geht es beim Waffenembargo auch um das strategische Verhältnis EU-USA. SVEN HANSEN