Clement kann Holtzbrinck den Weg freiräumen

Wirtschaftsminister entwirft Neufassung des Kartellrechts. Mittelständische Zeitungsverleger und Verlegerverband fühlen sich düpiert

BERLIN taz ■ Auch wenn das Kartellamt gestern schon zum zweiten Mal den Verkauf der Berliner Zeitung an den Stuttgarter Holtzbrinck-Konzern (Zeit, Handelsblatt) in Frage gestellt hat: Rettung naht. Denn was bislang von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clements (SPD) Neufassung des besonderen Kartellrechts für die Presse bekannt wurde, liest sich, als wolle die Regierung vor allem Holtzbrinck einen Gefallen tun. Die Vorschläge des Ministers sehen vor, Fusionen und Zusammenschlüsse auch trotz „des Entstehens oder Verstärkens einer marktbeherrschenden Stellung“ hinzunehmen, wenn bestimmte Auflagen eingehalten werden.

Zu diesen Auflagen – so viel weiß immerhin schon Zeit-Chefredakteur Michael Naumann – gehöre auch, dass „die erworbenen Zeitungen oder Zeitschriften langfristig als selbstständige publizistische Einheiten erhalten bleiben“. Dies hatte der Konzern in der Auseinandersetzung um Tagesspiegel und die Berliner Zeitung auch stets garantiert und dafür eigens die Einrichtung einer Tagesspiegel-Stiftung angeregt, die über die redaktionelle Unabhängigkeit der Blätter wachen sollte. Laut Clement-Entwurf soll künftig jede Fusion möglich sein, wenn der Verkäufer mit mindestens einem Viertel der Anteile an seinem alten Titel beteiligt bleibt und der Käufer nicht die „alleinigen Bestimmungsrechte über die inhaltliche Ausrichtung“ des Blattes erlangt, so die Zeit. Das neue Gesetz soll im Mai 2004 in Kraft treten.

Zwar heißt es im Wirtschaftsministerium, der Entwurf sei noch nicht öffentlich. Doch Michael Naumann, bis November 2000 erster Medienstaatsminister der Bundesregierung, kannte ihn mindestens seit Dienstag. Beim Verlegerverband BDZV ist man seitdem sauer. Dort hatte man so lange wie kontrovers diskutiert und schließlich die Großkonzerne wie Springer, WAZ oder Holtzbrinck zugunsten des Mittelstands in die Schranken verwiesen: Der BDZV forderte, dass künftig Übernahmen und Fusionen erst dann beim Kartellamt angemeldet werden sollten, wenn der Umsatz der beteiligten Unternehmen 100 Millionen Euro (bisher: 25 Millionen Euro) Umsatz übersteigt. Dies hätte den kleinen und mittleren Verlagen viel Handlungsspielraum gelassen, während die Großkonzerne wie Springer, WAZ oder Holtzbrinck weiterhin von der Zustimmung der Wettbewerbshüter abhängig gewesen wären. Clements Entwurf sieht laut Zeit nun aber lediglich eine Verdoppelung auf 50 Millionen Euro vor – das ist für viele mittelgroße Verlage zu wenig. Außerdem hebelt die „Altverleger“-Regelung das Kartellrecht völlig aus – zugunsten der Großen, die sich bei der Abstimmung der BDZV-Vorschläge übrigens enthalten hatten.

STEFFEN GRIMBERG