Flüche aus der Bundesstadt

BONN taz ■ Karl Hugo Pruys (Jahrgang 1938) hat ein böses kleines Büchlein geschrieben, eine Verfluchung aus der früheren Bundeshauptstadt Bonn gewissermaßen. Der letzte CDU-Bundeskanzler soll gar keinen Mantel der Geschichte angehabt haben, schreibt Pruys in seinem Werk „Helmut Kohl. Der Mythos vom Kanzler der Einheit“. Pruys war in den 1970er Jahren Kohls Parteisprecher, später Journalist und Buchautor in der damaligen Kapitale am Rhein. Noch immer operiert Pruys von Bonn aus – und schleudert und schimpft bitter gen Oggersheim. Fünfzehn Jahre nach dem Fall der Mauer präsentiert er zahlreiche Zeitzeugen und stellt in Frage, dass Kohl den Weg zur deutschen Einheit sehen und gehen wollte. An einem Weihnachtsabend kann man auf knapp 140 Seiten lesen, wie Kohl das Verfassungsziel deutsche Einheit im CDU-Grundsatzprogramm verwässerte. Wie der Bundeskanzler nach seinem Amtsantritt 1982 die DDR mit Milliardenkrediten päppelte, wie er auf Gesprächsangebote der UdSSR nicht reagierte, wie sich selbst Einheitsskeptiker wie Frankreichs Staatspräsident Mitterand über Kohl wunderten und wie der konservative Regierungschef erst in den Wendewochen 1989/90 auf den fahrenden Zug Richtung Wiedervereinigung aufsprang. Manchmal wirr und konspirativ geschrieben, aber unterhaltsam und mit witzigen Originaldokumenten ausgestattet. Exklusiv: Das lustige Protokoll des ersten Telefongesprächs zwischen Kohl und DDR-Interimschef Egon Krenz am 10. November 1989. Kohl zu Krenz: „Ich sag‘ Ihnen gleich, ich komm‘ nicht nach Ostberlin!“ TEI

Karl Hugo Pruys: Helmut Kohl. Der Mythos vom Kanzler der Einheit, edition q im be.bra verlag Berlin, 16,80 Euro