Kalkriese holt Varus heim

Für Osnabrücker Forscher fand die entscheidende Schlacht zwischen Germanen und Römern weiterhin in Niedersachsen statt. In Nordrhein-Westfalen sieht man‘s anders

Zu wenige Knochen für ein Schlachtfeld? Das muss an den Torfstechern liegen

Von Kai Schöneberg

Fehlt nur noch, dass sich jetzt die CDU in die ja auch von Patriotismus geschwängerte Debatte um den Ort des vaterländischen Sieges der Germanen gegen die bösen römischen Besatzer im Jahr 9 nach Christus einschaltet. Nein, Angie Merkel blieb gestern ruhig. Dafür präsentierte die Universität Osnabrück einen erneuten Hieb gegen die „ein, zwei Wissenschaftler, die immer noch der Meinung sind, dass die Varusschlacht im Teutoburger Wald stattgefunden hat“.

So jedenfalls Gunther Moosbrugger, wissenschaftlicher Leiter von „Kalkriese 2 – Sondierungen in der Kalkrieser-Niewedder Senke“, einem neuen Wälzer, der beweisen soll, dass die Varus-Schlacht in der Nähe des niedersächischen Bramsche und nicht in Nordrhein-Westfalen vonstatten ging. Erst vor kurzem hatte Stephan Berke von der Universität Münster – also die NRW-Fraktion – gewettert, Kalkriese als Schauplatz sei „so wissenschaftlich nicht haltbar“, weil die dortigen Münzfunde nicht eindeutig zuzuordnen seien.

Das ließen die Kalkrieser so nicht auf sich sitzen. Das Denkmal des Cheruskerfürsten Arminius steht zwar bei Detmold (NRW), Kalkriese-Park und -Museum mit ebenso saftiger touristischer Infrastruktur jedoch in, na klar: Kalkriese. Nicht nur, dass die Niedersachsen erst vor drei Wochen zwei römische Goldmünzen aus dem Kalkrieser Acker buddelten.

Mit dem gestern präsentierten 135-Seiten-Werk holten „die Osnabrücker ihren Varus heim“, betont Archäologe Moosbrugger. Und meint, dass in Bramsche-Kalkriese „mit höchster Wahrscheinlichkeit die Örtlichkeit der Varusschlacht“ zu finden sei. „Das müssen uns die anderen erst mal nachmachen.“

Die Auswertung der Grabungen aus den Jahren 1994 bis 2000 zeige, dass es gar nicht so schlimm sei, dass Münzen und Knochen aus der Zeitenwende in Kalkriese nur auf einer räumlich begrenzten Fläche gefunden wurden – und nicht auf einem Schlachtfeld, dass bis zu 50 Quadratkilometer groß gewesen sein könnte. Es habe sich nämlich gezeigt, dass weitere Funde durch das Stechen von Torf im Mittelalter vernichtet worden sein könnten. Moosbrugger: „Anfangs waren wir etwas verzweifelt. Jetzt stellte sich heraus, dass weitere Gegenstände aus der Schlacht durch die Bewirtschaftung vernichtet worden sein könnten.“ Um Kalkriese als dem Ort, wo etwa 20.000 Römer durch Germanenspeere gemetzelt wurden, gebe es „nur noch ein kleines Fragezeichen“.

Kein Fragezeichen steht mehr vor einem Datum: 2009 jubiliert sich das Geschlachte um den Germanen-Mythos. Schön wäre es, wenn die Kalkrieser bis dahin endlich echte Sicherheiten über den Standort hätten – Niedersachsen hat schließlich im Landeshaushalt bereits Gelder dafür eingeplant.