Sozialabbau startet pünktlich

Stadt und Arbeitsagentur sind für Hartz IV gerüstet, erklärt der CDU-Senat. Alle Hilfeberechtigten sollen Anfang Januar die minimierte Stütze kriegen, obwohl die Stadt erst einem Bruchteil der Anträge stattgab. „Vor-Ort-Kontrollen“ für Ein-Euro-Jobs

von EVA WEIKERT

„Wir schaffen das“, verkündete Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) gestern im Rathaus. Rund drei Wochen vor Beginn von Hartz IV sei Hamburg „gut“ auf die Arbeitsmarktreform vorbereitet. Selbst wenn die Datenumstellung nicht in allen der etwa 100.000 Fälle bis 1. Januar gelinge, müssten die ehemaligen Sozial- und Arbeitslosenhilfeempfänger „keine Mittellosigkeit befürchten“, so Uldall. Zwar wurden von den Sozialämtern erst 76 Prozent der Anträge auf das neue Arbeitslosengeld (ALG II) erfasst. Und auch die Arbeitsagentur ist im Rückstand. „Niemand, der berechtigt ist und einen Antrag abgegeben hat, wird aber im Januar ohne Geld dastehen“, versprach der Senator.

Im Juli hatte der CDU-Senat entschieden, Hartz IV mit der Arbeitsagentur umzusetzen. Ab Januar soll eine gemeinsame Arbeitsgemeinschaft (ARGE) die Anträge auf ALG II bearbeiten, auf das Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammenschmelzen, sowie berufliche Förderung vermitteln und Ein-Euro-Jobs zuweisen. Anlaufstellen für die Hartz IV-Opfer sind ab 3. Januar 25 „Job-Center“ in den Stadtteilen. Den „tief gehensten Einschnitt in das Sozialsystem seit dem Zweiten Weltkrieg“, nannte Uldall die Reform, die erst vor einem Jahr den Bundesrat passiert hatte. Der Zeitdruck aus Berlin sei richtig gewesen. Eine Verschiebung hätte der Volkswirtschaft geschadet „und Bedenkenträgern mehr Zeit gegeben, sich zu Wort zu melden“.

Weil die ALG II-Anträge per Hand in ein neues Computerprogramm eingegeben werden müssen und dieses zudem verspätet erst Mitte Oktober ausgeliefert wurde, sind Sozialämter und Arbeitsagentur trotz Sonderschichten und Samstagsarbeit in Verzug. Von den 58.000 Anträgen von Sozialhilfeempfängern konnten bislang gerade mal 10.000 beschieden werden, immerhin rund 44.400 sind erfasst. Uldall zufolge liegt der Rücklauf in den Bezirken zwischen 70 und 100 Prozent. Schwächere Resonanz verzeichnen etwa Wandsbek und Bergedorf. „Den Grund für dieses Missverhältnis kann ich nicht erklären“, so Uldall. Zu befürchten sei jedoch, dass Menschen ohne Deutschkenntnisse die Anträge nicht verstünden.

Ein ganzes Stück weiter als die Sozialämter ist die Arbeitsagentur. Von 40.000 Hartz IV-Anträgen hat sie 30.000 bewilligt. Zugleich ergingen bisher 1.100 Ablehnungsbescheide. Etwa 11.000 Fälle blieben der Agentur dadurch erspart, dass Langzeitarbeitslose etwa in die Selbständigkeit auswichen. Mit Erfassung von 80 Prozent aller Anträge liege Hamburg 15 Prozent über dem Bundesdurchschnitt, lobte Agenturchef Rolf Steil. „Ich sitze hier mit relativer Gelassenheit.“ Allein die Aufstellung von sieben Kassenautomaten in der Stadt für Menschen ohne Konto verzögere sich „um ein paar Tage“.

Steil und Uldall versprechen jedem ALG II-Empfänger berufliche Förderung. Für jährlich 30.000 Maßnahmen wie Weiterbildung oder Praktika stünden 225 Millionen Euro bereit, Uldalls Behörde trägt davon ein Viertel. Rund 9.000 Maßnahmen sind Ein-Euro-Jobs, deren Ablehnung mit Streichung der Stütze geahndet wird. Damit die Billigjobs keine regulären Arbeitsplätze verdrängen, plant die Behörde mit „Vor-Ort-Prüfungen“ deren Zusätzlichkeit „sicherzustellen“.

Der massive Sozialabbau habe unter den Betroffenen „nicht zu mehr Aggression geführt“, meinte Arbeitsagenturchef Steil, „aber vielleicht zu mehr Resignation“. Gleichwohl wurden Alarmknöpfe an den Schreibtischen seiner Mitarbeiter installiert.