GM lässt Opel-Belegschaft zappeln

Entscheidung über Restrukturierungsprogramm noch geheime Kommandosache. GM Europa unterschreibt Absichtserklärung, wonach betriebsbedingte Kündigungen „vermieden“ werden sollen. Beschäftigungsgarantie nur für Schwerbehinderte

AUS RÜSSELSHEIMKLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Eine frohe Botschaft konnte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende der Adam Opel AG und aktuelle „Weihnachtsmann“ Klaus Franz auf der Jahreshauptversammlung der Schwerbehinderten am Dienstagabend in Rüsselsheim immerhin verkünden: dass die 1.042 Arbeitsplätze für behinderte Menschen im Stammwerk nicht zur Disposition stünden. Da brandete kurz Beifall auf, auch wenn allen Beschäftigten bei Opel angesichts der drohenden Veränderungen eigentlich der Atem stocke, so Bernhard Grunewald, der Vertrauensmann der Versehrten.

Ein fröhliches Weihnachtsfest könne er deshalb keinem Kollegen wünschen, denn „bei Opel läuten doch schon alle Alarmglocken“. In der Tat. Seit der Präsident von General Motors Europa (GME), Carl-Peter Forster, am Vormittag in Frankfurt auf einer Veranstaltung zur Zukunft der Automobilindustrie verkündet hatte, dass der Mutterkonzern GM USA über das Einsparvolumen von 500 Millionen Euro per annum in Europa hinaus auf die Umsetzung weiterer Sparmaßnahmen dränge, geraten die Verhandlungsführer der Arbeitnehmerschaft immer mehr unter Druck.

Bis Redaktionsschluss jedenfalls war noch nicht klar, ob der Verwaltungsrat von GM in Detroit am späten Dienstagabend wenigstens die in den Verhandlungen zwischen den Betriebsräten und dem Vorstand von Opel in der vergangenen Woche erzielte Teileinigung abgesegnet oder doch verworfen hat. Detroit schweigt; ein Affront gegen den Gesamtbetriebsrat, der sich gestern in Rüsselsheim eigentlich mit dem „Bescheid“ aus den Staaten beschäftigen und die für heute einberufenen Betriebsversammlungen in Rüsselsheim und Bochum vorbereiten wollte.

Dennoch ging Gesamtbetriebsratsboss und „Optimist“ Franz weiter davon aus, dass die Konzernleitung den Weg für die Gründung von Beschäftigungsgesellschaften und die Zahlung von Abfindungen an „freiwillig“ ausscheidende Mitarbeiter freigemacht habe. Eine solche Entscheidung sei schließlich „die Basis für alles weitere“. Betroffen davon wären bis zu 7.500 Opel-Beschäftigte in Deutschland.

Die „Pessimisten“ unter den Vertrauensleuten verwiesen dagegen auf die aktuellen Absatzprobleme von General Motors auch in den Staaten; und darauf, dass der Konzern unter diesen Umständen wohl nicht bereits sein werde, rund 1 Milliarde Euro für den Personalabbau in Deutschland hinzublättern und auf – für den Konzern weniger kostenintensive – betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. Der Konzern will europaweit bis zu 12.000 Jobs streichen, 10.000 davon in Deutschland. Aus dem GM-Tower in Detroit jedenfalls drang gestern kein Laut. Erst heute wollen sich „die Amis“ öffentlich äußern. Für den Blockadefall packte Franz aber schon einmal die Rute aus: „Wenn ein Streik notwendig ist, wird er kommen“, sagte der Vorsitzende auch des Europäischen GM-Arbeitnehmerforums sibyllinisch. Mit GME traf das Forum am Dienstagabend schon einmal eine Vereinbarung ganz im Sinne auch der IG Metall. Im Rahmen der anstehenden „sozialverträglichen Restrukturierung“ sollten betriebsbedingte Kündigungen und Werkschließungen „vermieden“ werden, heißt es in einer Erklärung von Franz dazu.

Und GM Europe sei darauf verpflichtet worden, mit verstärkten Marketing- und Verkaufsstrategien den „Erfolg im europäischen Wettbewerb“ zu suchen. Für zukünftige Auslastungen der Werke und als Antwort auf die Strategie des Standortwettbewerbs von General Motors Europa sei ein erster Kriterienkatalog vereinbart worden. Dieser umfasse die Punkte Verkaufs-, Marketingstrategie und Nachfrage, Produktionsstrategie, finanzielles Investment, Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung und mögliche Personalabbaukosten.

Auch die IG Metall strebt für die kommenden Verhandlungsrunden eine „europäische Lösung“ mit Garantien für alle Standorte und für die nach der Restrukturierung verbleibenden Beschäftigten bei Opel, Saab und Vauxhall bis 2015 an. Die Arbeitnehmer bei Opel in Deutschland, so Franz gestern, seien bereit, dafür auch auf übertarifliche Leistungen zu verzichten.

Im Opelwerk in Bochum wussten die Betriebsräte gestern von solchen Zugeständnissen allerdings (noch) nichts.