Vor dem großen Fressen

Die Zeitungsverleger wollen eine Änderung der Pressefusionskontrolle. Sollten sie sich damit durchsetzen, könnte die Pressevielfalt im Kölner Umland langfristig Schaden nehmen

VON SEBASTIAN SEDLMAYR

Künftig könnte auch im Rheinland die Zahl der Städte und Regionen steigen, in denen die Menschen morgens nur noch eine Lokalzeitung lesen können. Der Bundesverband der Zeitungsverleger (BDZV) hat kürzlich einen entsprechenden Entwurf für die Novellierung der Pressefusionskontrolle vorgelegt. Bundeskanzler Gerhard Schröder hat seine Zustimmung lediglich von der Einigkeit der Verleger untereinander abhängig gemacht.

Bereits heute müssen nach Angaben der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di mehr als die Hälfte aller Orte in Deutschland mit einer einzigen Lokalzeitung auskommen. Nach dem Willen des BDZV soll das Bundeskartellamt bei Fusionen und Übernahmen im Zeitungswesen nur noch dann genauer hinsehen, wenn mindestens einer der Verlage wenigstens 100 Millionen Euro pro Jahr umsetzt. Bislang prüfen die Bonner Kartellwächter, wenn einer der Beteiligten einen Jahresumsatz von 25 Millionen Euro überschreitet. „Die Novelle würde eine ganz erhebliche Deregulierung bedeuten“, sagt Horst Röper vom Dortmunder Forschungsinstitut formatt.

Mehr Spielraum

Welche Auswirkungen hätte die Novelle im Kölner Raum? Hier wären nach der Neufassung der Pressefusionskontrolle die letzten kleinen Zeitungshäuser Remscheider General-Anzeiger und Solinger Tageblatt in ihrer Unabhängigkeit gefährdet. Denkbar wären Zusammenschluss oder Übernahme durch einen größeren Verlag. „Der BDZV möchte mit der Novelle in den Gebieten, in denen wir überhaupt noch Wettbewerb haben, mehr Spielraum für die Übernahme kleiner und mittlerer Häuser gewinnen“, sagt Röper.

Paradox: Aus Sicht der kleinen Verlagshäuser wäre die Novellierung kein Schaden. Manche wollen sogar fusionieren, um sich besser gegen Übernahmen durch Großverlage wie dem Essener WAZ-Konzern wehren zu können. Medienriesen wie WAZ-Konzern oder Springer können über den Tellerrand des durchschnittlichen Lokalzeitungslesers hinweg ihren Wirkungskreis vergrößern, weil der Zeitungsmarkt kartellrechtlich in Regionen aufgeteilt ist. So könnte der Westdeutsche Zeitungsverlag ohne größere Schwierigkeiten eine der beiden – noch unabhängigen – Bielefelder Lokalzeitungen Westfalenblatt oder Neue Westfälische kaufen.

Stefan M. Kob, beim Solinger Tageblatt Verlagsleiter und Chefredakteur in Personalunion, sagt: „Angesichts der Schwierigkeiten auf dem Markt ist es immer besser, wenn sich kleinere zusammenschließen.“ Für seine Zeitung und den benachbarten Remscheider General-Anzeiger (RGA) sei eine Fusion in naher Zukunft allerdings „kein Thema“. Die Kooperation mit dem RGA und der Westdeutschen Zeitung im Anzeigen- und Vertriebsgeschäft sei ausreichend. Auch vor dem großen WAZ-Konzern fürchte er sich nicht. „Wir sind stark genug“, versichert Kob.

Für das Kölner Stadtgebiet erwartet Medienforscher Röper durch die neue Fusionskontrolle keine Änderungen. Hier sei mit dem 1999 erfolgten Zusammenschluss der Anzeigen- und Vertriebsstrukturen von M. DuMont Schauberg (MDS) und Kölnischer Rundschau „alles erledigt“. Lediglich eine – kaum wahrscheinliche – Entschließung von Springer, MDS zu kaufen, müsste zu einer erneuten Prüfung der Wettbewerbssituation führen.

Dass die Redaktionen von Kölner Stadt-Anzeiger und Kölnischer Rundschau unabhängig voneinander arbeiten, ist nach Röpers Worten eine „freiwillige Verabredung“ zwischen dem für die Redaktion der Rundschau verantwortlichen Heinen-Verlag und MDS. Dem widerspricht MDS: „Es handelt sich nicht um eine freiwillige Vereinbarung, sondern um eine rechtlich verpflichtende Vereinbarung, an die MDS gebunden ist“, teilte Verlagssprecherin Cornelia Seinsche der taz mit. Möglicherweise haben beide Recht: Denn Verträge werden bekanntlich freiwillig geschlossen. Eine Änderung des Vertrages müsste aber nicht zwangsläufig kartellrechtliche Konsequenzen haben.

Dennoch scheint in Köln außer dem Auftauchen der Kölner Lokalseiten der taz derzeit keine Änderung der Presselandschaft in Sicht. Nach der Zusammenlegung der Lokalredaktionen des Oberbergischen Anzeigers (Kölner Stadt-Anzeiger) und der Oberbergischen Volkszeitung (Kölnische Rundschau) im November plant MDS laut Seinsche zurzeit keine weiteren Redaktionsgemeinschaften.

Zur Konsolidierung der Bilanzen wolle sich MDS weiter auf sein Kerngeschäft und den Ausbau der lokalen Berichterstattung konzentrieren, sagte Seinsche. Der größte Kölner Verlag denke weder über eine Übernahme des Remscheider General-Anzeigers oder des Solinger Tageblatts noch über eine engere Kooperation mit dem Bonner General-Anzeiger nach.

Sollte sich MDS irgendwann anders entscheiden, bliebe ein derartiges Geschäft wahrscheinlich nicht unbemerkt. Alle eventuellen Zukäufe durch MDS müssten auch nach der neuen Pressefusionskontrolle kartellamtlich geprüft werden. Denn mit 547 Millionen Euro Umsatz im Jahr 2002 nimmt MDS die vorgesehene Hürde von 100 Millionen Euro souverän.

Internationale Öffnung

Wenn die deutschen mittelständischen Verleger den Markt endgültig unter sich aufgeteilt haben, droht ihnen möglicherweise Ungemach von außen. Denn wenn die Pressefusionskontrolle Ende April 2004 zum siebten Mal novelliert werden soll, muss der Bundestag auch das Kartellrecht den Richtlinien der Europäischen Union anpassen. Und wenn die Bundesrepublik ihre bislang protektionistische Medienpolitik aus EU-rechtlichen Gründen nicht fortsetzen sollte, können international operierende Medienunternehmer wie Rupert Murdoch oder auch der Norweger Schibsted Verlag – er hatte im Jahr 2000 vergeblich versucht, mit der Gratiszeitung 20 Minuten im Kölner Zeitungsmarkt Fuß zu fassen – stärker auf den deutschen Zeitungsmarkt drängen.

Die Abteilung Medien der Gewerkschaft ver.di fordert daher, den deutschen Markt nicht weiter zu konzentrieren. In einer ver.di-Stellungnahme zur Pressefusionskontrolle heißt es, dass gerade die größeren Verlagshäuser „für ausländische Investoren eine besonders attraktive Anlagebasis bieten“.