Rentner soll die Hertha retten

Heute soll der der 61-jährige Hans Meyer der Öffentlichkeit als neuer Hertha-Trainer und Rettungsanker vorgestellt werden. Ist Manager Dieter Hoeneß am Ende seines Fußballlateins?

VON JÜRGEN SCHULZ

Dieter Hoeneß ist der Herr der Augenringe. Tollkühn hat der Manager von Hertha BSC im Sommer das Erreichen der europäischen Champions League zum Saisonziel erklärt. Jetzt nagen sich Versagensängste in sein wuchtiges Antlitz. Statt auf einem Spitzenplatz dümpelt Hertha nach der Bundesliga-Hinrunde auf Rang 17. Das Mittelfeld kann Hoeneß nur noch bei klarer Sicht erkennen. „Es geht jetzt nur noch um den Klassenerhalt“, stöhnt er.

Mit puterrotem Kopf, der im schrillen Gegensatz zu den blau-weißen Vereinsfarben steht, bezichtigt der Schwabe die (zumeist von ihm verpflichteten) Spieler des „Horror-Fußballs“. „Das lasse ich mir nicht bieten“, tobt Hoeneß und droht den kurzbehosten Versagern mit Gehaltskürzungen. Aufgebrachte Fans orten den Schuldigen der Misere woanders. „Hoeneß raus“, skandierten sie jüngst in Köln.

„Gott“, wie Dieter H. intern genannt wird, hielt sich für unfehlbar. Nach seinem Einstieg 1996 als ehrenamtlicher Vizepräsident modelte der spätere Manager – mit Vertrag bis 2006 – den Club aus dem Olympiastadion zur Ich-AG um. Während die Branchen-Größen Bayern München, Dortmund oder Leverkusen ihre Führungsetagen ausbauten, duldete „Gott“ niemanden neben, geschweige denn über sich. Kritische Köpfe wurden bei „Hoeneß BSC“ weggebissen.

„Hoeneß ist zu mächtig“, warnte der mittlerweile verstorbene Aufsichtsratschef Robert Schwan. Der Hertha-Manager stieg weiter auf zum „Vorsitzenden Geschäftsführer der Geschäftsleitung“ der Kapitalgesellschaft auf Aktien. Er wähnte sich als Metropolen-Macher, der auf gleicher Augenhöhe mit Johannes Rau oder Günther Jauch parliert, die beide Vereinsmitglieder sind.

Zu Hoeneß’ 50stem Geburtstag im Januar brannte man in der Berliner City ein Feuerwerk ab. Der blau-weiße Patriarch mit dem schwarzen Humor („Ich bin ein Teamplayer“) war auf dem Zenit angelangt. Beim Hauptstadtclub zeichnete er verantwortlich für den sportlichen Bereich, Strategie und PR. Also irgendwie für alles. Aber veranwortlich machen lässt er sich ungern.

Als es in der Bundesliga-Tabelle steil bergab ging, flog zunächst Trainer Huub Stevens, von dem Hoeneß einst schwärmte: „Um ihn wird uns die ganze Liga beneiden“. Interimslösung Andreas Thom war nach nur drei Chefeinsätzen am Ende. Danach zerrte der Chef die Spieler ins Kreuzfeuer der Kritik.

Jetzt steht „Gott“ ohne Feigenblatt da. „Der Manager ist Hauptverantwortlicher des Berliner Absturzes“, schreibt der Kicker und erinnert an Hoeneß’ teure (Fehl-)Investitionen. Vor allem die Brasilien-Fraktion tanzt dem großen Vorsitzenden auf der Nase herum. Mittelfeldlenker Marcelinho saust nachts im Samba-Schritt zu den Klängen seiner Combo „100 Prozent Marcelinho“ durch eine Charlottenburger Bar. Tagsüber reicht die Kraft bestenfalls zu einer Rasenpolka. Den wenig soziablen Alex Alves hat Hertha wieder nach Hause geschickt. Auf den Durchbruch des adipös wirkenden Luizao warten die Fans seit eineinhalb Jahren vergebens. Selbst die von Hoeneß im Sommer vollmundig als Träger des Erfolggens verpflichteten Nationalspieler Fredi Bobic und Niko Kovac gelten als Problemfälle.

Nun droht der Manager mit der Verpflichtung eines weiteren Superstars. „Einen Fehlgriff darf sich Hoeneß nicht mehr leisten“, sagt ein Insider. Als neuer Übungsleiter soll jetzt der 61-jährige Hans Meyer, der sich im März in Gladbach eigentlich in den Ruhestand verabschiedet hatte, in Berlin den Rettungsanker spielen.

Wie schnell der Sturz von der Ich-AG ins Abseits vonstatten gehen kann, erlebte man jüngst beim „1. FC Bertram“ in Köpenick. Heiner Bertram, alleiniger Herrscher beim 1. FC Union, wurde über Nacht vom Aufsichtsrat entmachtet. „Der Verein spricht nur mit einer Stimme: der des Präsidiums“, hatte der Präsident noch kurz vor seiner Amtsenthebung im Oktober getönt. „Bertram hat die Leute nur benutzt. Wenn er sie nicht mehr brauchte, hat er sie fallen lassen“, begründete Aufsichtsrat Jürgen Dubois die Palastrevolution. Daran, dass der Verein Bertram wieder rufen werde, glaubt wohl nur noch Bertram selbst.