„Verhalten sich unpatriotisch“

Auch der Bundeskanzler schimpft jetzt auf Steuerflüchtlinge und fordert ihre gesellschaftliche Ächtung. Der rot-rote Senat freut sich derweil auf die Kunstsammlung des Steueremigranten Flick

VON ROBIN ALEXANDER

In Zeiten der Krise hat die Bundesregierung ein Feindbild entdeckt: den Steuerflüchtling. Nach Finanzminister Hans Eichel (SPD) schimpft jetzt sogar Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) in einem Interview auf Reiche, die sich dem deutschen Fiskus entziehen. In diesen Tenor würden die Berliner Genossen gerne einstimmen. Allein: Sie haben ein Problem. Mit der Flick-Collection soll im kommenden Jahr feierlich die Kunstausstellung eines Mannes eingeweiht werden, der seinen Wohnsitz aus Steuergründen in die Schweiz verlagert hat. Schlimmer noch: Der Vertrag, der die Ausstellung der Flick-Collection in Berlin regelt, wurde von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz mit einer Firma Flicks abgeschlossen, die ihren Sitz in einem Steuerparadies hat: auf der britischen Kanalinsel Guernsey.

Die Kampagne der Bundesregierung erreichte gestern einen neuen Höhepunkt. In einem Interview mit der Bild am Sonntag wurde Schröder auf Unternehmer angesprochen, die zur Vermeidung von Erbschaftsteuer ins Ausland flüchten. Schröder antwortete: „Wir können die Freizügigkeit nicht einschränken, aber wir sollten dieses Verhalten gesellschaftlich ächten.“ Im weiteren Verlauf des Interviews legt Schröder nach: „Solche Leute verhalten sich unpatriotisch. Mit denen ist kein Staat zu machen.“

Friedrich Christian Flick ist bereits 1975 in die Schweiz gezogen. Er betont dennoch öffentlich, wie stark er sich als Deutscher fühle: „Ich bin Deutscher. Da sind meine Wurzeln. Heimat. Beständigkeit. Halt.“ Der Journalist Hans Leyendecker hat ausgerechnet, dass Flick seit seinem Umzug jedes Jahr ungefähr fünf Millionen Euro Steuern vermied. Insgesamt hat er – die Vermögensteuer nicht mitgerechnet – sich und dem deutschen Fiskus etwa 125 Millionen Euro erspart. Das ist ironischerweise in etwa der Wert seiner Kunstsammlung, die er ab dem kommenden Jahr in Berlin zeigen will.

Bei diesem Wert wird es nicht bleiben: Bisher ist die Flick-Sammlung nicht öffentlich zu sehen. Eine siebenjährige Präsentation, wie sie jetzt in Berlin geplant ist, bedeutet eine enorme Wertsteigerung. Die Kunstwerke bleiben in Flicks Besitz. Es ist fraglich, ob bei einem eventuellen Verkauf Steuern in Berlin gezahlt würden. Auf den Zusammenhang zwischen Kanzlerkritik und Flick-Collection angesprochen, wollten sich Vertreter der rot-roten Koalition wie der SPD-Vorsitzende und Stadtentwicklungssenator Peter Strieder und der PDS-Kultursenator Thomas Flierl gestern nicht äußern.

Der Kunstsammler Friedrich Christian Flick ist der Enkel von Friedrich Flick, Hitlers größtem Rüstungslieferanten, in dessen Werken Zwangsarbeiter schufteten und starben. Friedrich Christian Flick weigert sich bis heute, in den Entschädigungsfonds der deutschen Industrie für Zwangsarbeiter einzuzahlen. Ursprünglich sollte seine Kunstsammlung in Zürich präsentiert werden. Nachdem dort eine Debatte um die Flick’sche Vergangenheit begann, zog der Sammler sein Angebot zurück und verfiel auf Berlin.