weihnachten bei krümelmonstern von RALF SOTSCHECK
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Jetzt geht das wieder mit den Keksen los. Jedes Jahr zu Weihnachten tauchen Verwandte und Bekannte auf und drücken einem kleine, bunte Päckchen in die Hand. „Selbst gebacken“, raunen sie einem Anerkennung heischend zu, und man legt das garstige Geschenk möglichst unauffällig auf den Entenstapel.

Ich hasse Kekse. Sie stauben bestenfalls im Mund und verkleben im Extremfall den Gaumen, wenn sie mit einer roten, gummiartigen Masse gefüllt sind, was leider häufig vorkommt. Außerdem passen sie nicht zum Bier, es schmeckt danach wie Bonbonwasser. Man könnte dazu eine Mentholzigarette rauchen, um den Geschmacksnerven den Rest zu geben. Warum sparen sich die Leute nicht den Backwahn und besorgen im Fachgeschäft eine anständige Flasche Wein? Ich mache es doch auch so.

Außerdem sollte man meinen, dass Iren und Briten im Laufe des Jahres genug Bröselware vertilgt haben. Es sind Nationen von Keksfressern, und nicht nur zur Weihnachtszeit. Die Supermärkte sind voll von dem Zeug, selbst im irischen Supermarkt auf dem Arbat in Moskau nimmt das bösartige Backwerk eine ganze Wand ein. Der Engländer aber geht noch einen Schritt weiter.

Ein Londoner Keksjunkie, der sich „Nicey“ nennt, hat dem Produkt seiner Begierde eine ganze Website gewidmet. Auf www.nicecupofteaandasitdown.com erfährt man zum Beispiel, wer „Keks der Woche“ geworden ist. Selbstverständlich ist es „Arnott’s Gaiety“, ein australisches Gebäck, weil die Engländer dort neulich Rugbyweltmeister geworden sind und davon noch genauso lange wie vom Zweiten Weltkrieg und der Fußballweltmeisterschaft 1966 schwärmen werden.

Nicey war mit seiner Frau in die australische Botschaft eingeladen worden, weil dort ein neuer Keks namens „Tim Tam“ vorgestellt wurde. Freudig verkündet er auf der Website, dass die Supermarktkette Tesco einen Weg gefunden habe, das Schokoladengebäck über den Äquator nach Britannien zu transportieren, ohne dass es schmilzt. In einem Kühlcontainer vielleicht?

Aus lauter Dankbarkeit für die kostenlose Werbung hat Tesco einen Zeichentrickfilm gesponsert: „Prawnzilla gegen die Zitronenschafe“. Darin wird Prawnzilla, eine grässliche Kekskonstruktion mit Krabbengeschmack, von einer Horde schafförmigen Zitronengebäcks gefangen genommen. Er kann sich befreien, trinkt Orangensaft, wodurch er überkeksliche Kräfte bekommt, und erschießt die Zitronenmafia mit Courgettes. Die Idee für den Streifen muss einem völlig verkeksten Hirn entsprungen sein.

Nicey beantwortet auch Leseranfragen. Ein David Grennall fragt allen Ernstes, welcher Keks zum Bier passt. Nicey empfiehlt das „Thin Arrowroot Biscuit“ – einen dünnen Pfeilwurzmehlkeks „mit buttrigem Abgang“. Beim englischen Dünnbier kommt es wahrscheinlich nicht so sehr darauf an, was man dazu isst.

Der Entenstapel hat inzwischen eine beeindruckende Größe erreicht. Die gefiederten Leckerbissen werden es mir danken. Ich füttere sie mit dem staubigen Backwerk jedes Jahr am zweiten Feiertag im Dubliner Park St. Stephen’s Green – als Abbitte für das Entenconfit zu Weihnachten. Zu dem passen Bier und Wein und Cognac, aber keine Kekse. Frohe Weihnachten!