Hip gegen Hopp

Der Boxer Wladimir Klitschko bezwingt den Ringtaps Nicholson und rückt einem WM-Kampf wieder näher

KIEL taz ■ Die Klitschko-Brüder wären bessere Rapper als Boxer, hatte der Trainer Eddie Mustapha Muhammad vor dem Kampf seines Schützlings Dannell Nicholson gegen Wladimir Klitschko in Kiel getönt. Sie sollten „ihre Mützen falsch rum aufsetzen und sich schwere Ketten umhängen“. Eine großartige Idee, zumal davon auszugehen ist, dass die Klitschkos mit der Etablierung des Minimal-Rap-Stils selbst auf diesem Gebiet nicht erfolglos blieben. Dennoch war schnell klar, dass Muhammads große Klappe wohl vom gern so bezeichneten Klappern stammt, welches zum Boxhandwerk gehört.

Wie sehr der Coach daneben klapperte, zeigte sich nach dem Kampf, der in der vierten Runde zugunsten von Wladimir Klitschko abgebrochen wurde. Nicholson war nicht nur durch den Ring gestolpert, sondern fiel auch noch seinem Trainer in den Rücken: „I never got in the rhythm with him“, kommentierte er seine klare Niederlage und bewarb sich so trefflich um einen Gastauftritt bei kommenden HipHop-Produktionen.

Es wäre wohl der geeignetste Übergang für den 36-jährigen Amerikaner aus dem professionellen Boxsport in den zweiten Karriereweg. Texten fiel Nicholson ohrenscheinlich leichter als Boxen. Sein plotschiger Auftritt lief von Beginn an niemals Gefahr, sich eines Rhythmus verdächtig zu machen. In Runde eins beschränkte sich der Amerikaner sehr zum Unmut der 10.000 Zuschauer in der Kieler Ostseehalle darauf, ängstlich seine Führhand zur Wahrung eines Sicherheitsabstands auszustrecken. Klitschko beklagte später prompt eine Distanz, in der ein Schlagweg schwer zu finden gewesen sei. Zur Belustigung des Publikums fand Nicholson seinen, in dem er einmal um die gesamte Ostseehalle ausholte, um dann ungeschickt in die Luft zu fausten. Sichtlich eingeschüchtert, forderte er Klitschko außerdem derart häufig zum Engtanz auf, dass Ringrichter John Coyle in der zweiten Runde einen Punktabzug wegen Klammerns verhängte. Allmählich begann das Publikum zu riechen, was man in Boxkreisen einen „Stinker“ nennt. Boxer, die einen unangenehmen Stil pflegen und in der Regel nur über glückliche Schläge zu einem unerwarteten Erfolg kommen, erfreuen sich keiner besonderen Beliebtheit. Veranstalter Klaus-Peter Kohl wies die Kritik an der Verpflichtung Nicholsons jedoch zurück. „Es war ein unbequemer Kampf, mit einer Taktik, die ebenfalls zu diesem Sport gehört.“

Für Wladimir Klitschko sollte es nach der demoralisierenden Niederlage gegen Corrie Sanders im März dieses Jahres ein weiterer Aufbaukampf sein (den ersten hatte er gegen den Argentinier Fabio Moli durch K.o in der ersten Runde gewonnen), um im kommenden Jahr wie sein Bruder Vitali wieder um Weltmeisterschaftstitel boxen zu können. Wirklich hilfreich kann das ungleiche Duell dabei nicht gewesen sein, wenn man berücksichtigt, was sich das Trainerteam Klitschkos vor dem Kampf erhofft hatte.

Kotrainer Freddie Roach hatte auf die psychologische Belastung durch den ersten Knock-out hingewiesen, den Wladimir Klitschko in seiner Profilaufbahn hatte hinnehmen müssen, und gehofft, dass „Nicholson sich lange hält, um den Sanders-Kampf aus dem Kopf zu bekommen“. Den jüngeren Klitschko kümmerte diese Einschätzung wenig. „Ich bin jetzt definitiv bereit, gegen jeden um die Weltmeisterschaft zu boxen.“

Wie die Zukunft der Klitschkos aussieht, ist trotz ihrer Ankündigung, sich eventuell nach 2004 aus dem Universum-Boxstall zu verabschieden („Wir wollen mehr Kämpfe in Amerika“) vorgeplant. „Es gibt drei Optionen“, so Promoter Klaus-Peter Kohl. „Boxt Lennox Lewis erneut gegen Vitali, kommen für Wladimir Kämpfe gegen Corrie Sanders oder Lamon Brewster um den vakanten WBO-Titel in Frage. Will Lewis nicht boxen, könnte Vitali gegen Sanders antreten.“ Über die künftige Zugehörigkeit der Klitschkos zum Universum-Boxstall sagte Kohl: „Das wird sich zeigen, aber wenn sie schon gehen, sollen sie wenigstens als Weltmeister gehen.“ Ansonsten bleibt ja noch die Option mit der wuchtigsten HipHop-Boy-Group Deutschlands.

OKE GÖTTLICH