STUDENTENSTREIKS: AUFMERKSAMKEIT AUSGERECHNET FÜR DAS BEKÄMPFTE
: Proteste bringen Gebühren

Man täusche sich ob des naturgemäßen weihnachtlichen Abflauens nicht: Die Studentenproteste waren ein Erfolg. Sie schafften Bewusstsein, dass die Zustände an den Universitäten geändert werden müssen. Insofern haben die Studenten ihr Ziel durchaus erreicht.

Die Problemlage, die nun ins allgemeine Bewusstsein rückt, ist diese: Sehr viel mehr Geld muss ins höhere Bildungssystem, das gleichzeitig zu vielen überfälligen Rationalisierungen gezwungen werden muss. Höhere Ausgaben und weniger Bürokratie – an sich schon ein Widerspruch. Diesen Widerspruch auflösen zu könne, behaupten die Befürworter von Studiengebühren: Studenten als zahlende Kunden brächten a) Geld ins System und b) Druck, die Ressourcenverschwendung einzuschränken.

Die Gegner von Gebühren haben hingegen kein plausibles Alternativkonzept, die Zustände zu bessern. Niemand glaubt, dass die Bundesregierung die Kraft hat, die notwendigen Mittel allein aus dem Bundeshaushalt aufzubringen. Ausdruck dieser Hilflosigkeit ist das gesetzliche Verbot von Gebühren für das Erststudium, das die Bundesregierung im vergangenen Jahr eilig hochgezogen hat wie eine Brandmauer angesichts einer Feuersbrunst.

Die Feuersbrunst ist durch die Studentenproteste noch angefacht worden, denn sie haben alle Augen auf die maladen Universitäten gelenkt. Aber lehnen die protestierenden Studenten Gebühren nicht kategorisch ab? Schon. Aber die Kompetenz, die den protestierenden Studenten zugeschrieben wird, erschöpft sich im Aufzeigen von Problemen – für die Lösungen seien andere zuständig. Subjektiv richten sich die Proteste gegen Gebühren, doch objektiv beschleunigen sie ihre Einführung. Und untergraben damit sogar die eigene Basis. Ein Semester, das 1.000 Euro kostet, wird kaum noch jemand darauf verwenden, per Streik die Gesellschaft auf ihre Versäumnisse hinzuweisen.

ROBIN ALEXANDER

Der Autor studierte von 1996 bis 2001 gebührenfrei in Leipzig und verstreikte fröhlich das Wintersemester 97/98