Wladimir Putin allein gegen sich selbst

Zwei liberale Parteien erklären ihren Verzicht auf eine Teilnahme bei den russischen Präsidentschaftswahlen. Begründung: Freie und gleiche Wahlen sind derzeit unmöglich. Der Chef der Kommunistischen Partei, Gennadi Sjuganow, zögert noch

VON BARBARA KERNECK

Seit gestern sieht es so aus, als ob Wladimir Putin bei den russischen Präsidentenwahlen im März der einzige Kandidat auf weiter Flur sein wird. Die Führer der liberalen Parteien Jabloko und Union Rechter Kräfte erklärten am Wochenende endgültig ihren Verzicht auf eine Teilnahme an dieser Wahl.

Auch Kommunistenchef Gennadi Sjuganow, dessen Partei bei den Duma-Wahlen Anfang Dezember als einzige Opposition ins Parlament einzog, steht nach Auskunft seiner Parteifreunde kurz davor, das Handtuch zu werfen. Aber Wladimir Schirinowski, Führer einer hurra-patriotischen Protestpartei, welche bei den vergangenen Duma-Wahlen recht gut abschnitt, will antreten – jedoch nur, wenn auch Sjuganow mit von der Partie ist.

Gestern war in Russland die Nachricht des Tages, dass sich Jabloko-Führer Grigori Jawlinski auf dem Kongress seiner Partei als Präsidentschaftskandidat verabschiedete. Als solcher hatte er tapfer 1996 gegen Boris Jelzin und 2000 gegen Wladimir Putin verloren. „Die politische Situation im Lande ist heute so, dass eine faire und gleiche Präsidentenwahl nicht möglich ist“, erläuterte auf dem Parteitag der Vizevorsitzende Sergei Mitrochin die neueste Wendung.

Irina Hakamada, Ko-Vorsitzende der Union Rechter Kräfte hatte sich nach den Duma-Wahlen grundsätzlich bereit erklärt, als Präsidentin zu kandidieren. Aber Ende vergangener Woche rief sie mit der gesamten Parteispitze zu einem generellen Boykott der März-Wahlen auf.

Weder Jabloko noch die Union Rechter Kräfte hatten jüngst bei den Duma-Wahlen die Fünfprozenthürde überwinden können, während die Pro-Putin gesonnenen Deputierten zwei Drittel der Sitze eroberten. Inzwischen sind die Kommunisten, welche die meisten Wahllokale überwachen konnten, zu einem anderen Resultat gelangt. Nach ihrer Zählung haben Jabloko und die Union Rechter Kräfte in Wahrheit je etwa 6 Prozent erhalten.

Die Hauptursache für die ungleiche Kräfteverteilung im neuen Parlament und das schlechte Abschneiden der prowestlichen, liberalen Parteien sehen russische und ausländische Beobachter aber nicht in den unbestreitbaren Wahlfälschungen, sondern in der staatlichen Lenkung von TV und Rundfunk.

In der vergangenen Woche hatten emsige Konsultationen zwischen den beiden geschädigten Parteien stattgefunden. Boris Nemzow, Ko-Chef der Union Rechter Kräfte, bedauerte, dass es ihnen nicht gelungen sei, sich auf einen Kandidaten zu einigen. Nemzow nannte die Konsultationen zwischen den beiden Parteien „weitgehender und inhaltsreicher“ als vor den Duma-Wahlen. Die Union Rechter Kräfte habe dabei vorgeschlagen, einen Kandidaten aufzustellen, der keiner von beiden Parteien angehöre.

Auf dem Jabloko-Parteitag am Sonntag gelobte Grigori Jawlinski, innerhalb der nächsten vier Jahre alle Kraft in den Aufbau einer mächtigen neuen Partei zu setzen, die fähig sein müsse, die gesamte demokratische Opposition zu vereinen. Was Präsident Putin angeht, so hatte er seine Kandidatur für eine zweite Amtszeit am Donnerstag verkündet. Dabei erklärte er, sich von keiner Partei aufstellen lassen zu wollen. Für diesen Fall sieht die russische Verfassung die Möglichkeit vor, eine Kandidatur durch die Unterschriften von 2,5 Millionen BürgerInnen unterstützen zu lassen. Paradoxerweise steht deshalb jetzt Putins Hauspartei „Einiges Russland“ auch ohne Kandidaten da.

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