: Castoren werden weiter rollen
Nach der Zwischenlager-Genehmigung des Bundesamts für Strahlenschutz drohen zahlreiche Atommülltransporte aus Frankreich und England. Kirchen üben Kritik
GUNDREMMINGEN taz ■ Das Ende der innerdeutschen Castor-Transporte hat der Präsident des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS), Wolfram König, angekündigt, als er am vergangenen Freitag die letzten drei deutschen Atommüllzwischenlager genehmigte. Ein Wort wurde daraufhin in vielen Meldungen geflissentlich übersehen: innerdeutsch. Denn nach der Genehmigung der Atomlager an zwölf Atomstandorten ist noch lange nicht Schluss mit den Castor-Transporten durch Deutschland.
„Mehr als 100 Castoren stehen in La Hague zum Rücktransport bereit, der Inhalt von weiteren 40 Castoren befindet sich dort noch in den Lagerbecken“, kritisiert Raimund Kamm, der Sprecher des „Forums – Gemeinsam gegen das Zwischenlager“. Auch im britischen Sellafield stünden noch einmal rund 30 Castoren. Jeder könne sich selbst ausrechnen, wie viele Atomzüge noch durch Deutschland rollen, wenn zwischen drei und zwölf Castoren zu einem Zug zusammengekoppelt werden.
Eine Irreführung der Bevölkerung sei das, was König verkündet habe, aber auch im Hinblick auf die angebliche Sicherheit der Zwischenlager, kritisiert der Forums-Sprecher. Ebenso ärgern sich die atomkritische Ärztevereinigung IPPNW, die ÖDP und einige Gemeinden über ihres Erachtens nicht zutreffende Sicherheitszusagen. Selbst die evangelische und katholische Kirche haben massive Bedenken gegen das größte deutsche Atomzwischenlager in Gundremmingen angemeldet. Was fehle sei eine verantwortbare Energiepolitik. Jetzt, da die Zwischenlager an den AKW-Standorten entstehen sollen, schärfen sie ihr Problembewusstsein. Dem war nicht so, solange der strahlende Atomabfall nur nach Gorleben oder Ahaus gefahren wurde.
„Hier wurde eine Mülltonne genehmigt, aber wohin der Müll kommt, wenn die Tonne voll ist, ist noch ungewiss“, wettert die stellvertretende schwäbische ÖDP-Vorsitzende Gabi Olbrich-Krakowitzer. Die 40-Jahre-Lagergenehmigung des BfS lasse vielmehr erhebliche Laufzeitverlängerungen für die Atommeiler befürchten. Und dem Sprecher der Ulmer Regionalgruppe des IPPNW, Reinhold Thiel, ist es unverständlich, „dass die Lagerhallen ohne Rückhaltebarrieren ausgestattet werden“. Bei auftretenden Undichtigkeiten könnte sich radioaktives Material so ungehindert in der Umgebung verteilen.
Vor allem die Ausführungen des BfS-Präsidenten zur Sicherheit bei vorsätzlichen Flugzeugabstürzen werden massiv bezweifelt. Forums-Sprecher Kamm weist auf ein weiteres Defizit hin: Magnesiumbeschichtete Brennköpfe von Panzerfaustmunition könnten selbst dicke Panzerungen durchbrechen, erst recht die dünnen Wände der Zwischenlagerhallen und wohl auch die darin abgestellten Castoren erheblich beschädigen.
KLAUS WITTMANN
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