Euphorie im Spitzenkleid

Dirk Lottner empfängt mit dem MSV Duisburg „seine“ Kölner zum Zweitligagipfel. Der gebürtige Kölner scheint im Ruhrgebiet angekommen. Nur das überdrehte Umfeld vermisst er irgendwie

AUS DUISBURGROLAND LEROI

Manchmal bricht dann doch der närrische Ur-Kölner in Dirk Lottner wieder durch. Eine ganze Kollektion Spitzenkleidchen hatte der Fußballprofi neulich mit zum Training des MSV Duisburg genommen und der gesamte Kader des Zweitligisten rannte knapp zwei Stunden in Röcken und Korsagen über das Übungsgelände. „Hier muss doch mal Leben in die Bude“, begründete der 32-Jährige die ungewöhnliche Aktion auch gegenüber seinem Trainer Norbert Meier, der die karnevalistische Einlage überhaupt nicht komisch fand und penibel darauf achtete, dass kein Foto seiner kostümierten Fußballer an die Öffentlichkeit gelangte. Sonst könnte es ja heißen, dass die Duisburger ob ihres Höhenfluges überheblich werden, befürchtete der kühle Coach aus Norddeutschland.

„Unsinn“, widerspricht Lottner, denn gerade jetzt gelte es, öffentlich Selbstvertrauen auszustrahlen. Der MSV, für den er seit Saisonbeginn aufläuft, sei schließlich nach fünf trostlosen Jahren auf dem Weg zurück in die Bundesliga. Am Sonntag (20.30 Uhr) empfangen die Duisburger den einen Punkt besser platzierten Spitzenreiter 1. FC Köln zum Liga-Gipfel und zum Match um die Herbstmeisterschaft. Über 30.000 Zuschauer passen dann in die neue MSV-Arena, die in der Rekordzeit von 420 Tagen hochgezogen wurde und vermutlich auch dank vieler Tausender Kölner Anhänger ausverkauft sein wird.

Für Duisburger Verhältnisse ist das angesichts von durchschnittlich 7.000 Besuchern in den Vorjahren ein Quantensprung, Lottner reicht das aber nicht. „Merkwürdig, dass es überhaupt noch Karten gibt. So ein Kracher muss doch schon einen Monat vorher ausverkauft sein“, nörgelte der Mann, den alle „Lotte“ nennen, zu Wochenbeginn. Vergeblich suchte er bislang im Umfeld jene bahnbrechende Euphorie, die die Mannschaft mit nunmehr neun ungeschlagenen Spielen in Serie geweckt haben sollte. „Ich vermisse eine Aufbruchstimmung“, sagt der Spielgestalter, der verletzungsbedingt erst sechs Mal in der Startformation stand, seit seinem Comeback aber der unumstrittene Lenker im Mittelfeld ist.

Was Stimmungen bewirken können, weiß er nur zu genau. 161 Partien hatte Lottner bis letzten Sommer für die Kölner bestritten, wurde bei zwei Abstiegen häufig zum Buhmann deklariert, infolge zweier Aufstiege aber enthusiastisch gefeiert. Lottner polarisierte, für die breit gefächerte Kölner Medien-Landschaft war er ein perfektes Thema – in guten wie in schlechten Tagen. Auch der Verein nutzte das, indem er den Publikums-Liebling mit Kultstatus überlebensgroß von Plakatwänden lächeln ließ.

„Ich wollte das Dauerthema Lottner der Mannschaft und dem Verein nicht mehr antun“, erinnert sich der waschechte Kölner an „verworrene Verhältnisse“ und genoss fortan die Ruhe in Duisburg. „Hier ist alles eine Nummer kleiner, aber nicht unpersönlicher“, sagt er und freut sich, dass es auch sportlich läuft. Natürlich sei er gegen seinen Heimatklub extrem motiviert, aber nicht etwa, weil er noch alte Rechnungen offen habe. „Ich hätte in Köln auch verlängern können, wollte das aber nicht mehr.“ Statt dessen peilt er mit den „Zebras“ die Bundesliga an. „Wir liegen sensationell im Rennen, uns fehlen noch 27 Punkte“, sagt Lottner.

Dass er immer noch an „seinem FC“ hängt, sagt er jedem, der es hören will. 2006 wolle er nach seinem Karriereende in jedem Fall zurückkehren. Eine schriftliche Vereinbarung mit dem FC-Vorsitzenden Wolfgang Overath gibt es schon, nur die Funktion, die der Fußballer dann übernehmen soll, ist noch nicht definiert. Präsident möchte er zwar wegen des Rummels nicht werden, für alles andere aber ist „Lotte“ offen. „Vielleicht Scout, Jugendtrainer, von mir aus auch Platzwart“, sagt Lottner schmunzelnd und will damit ausdrücken: Hauptsache Köln. Zum Abschied von seinem Lieblingsverein trug er am letzten Spieltag der vergangenen Saison ein T-Shirt mit der Aufschrift: „Mi Hätz bliev kölsch.“

Weil Lottner für zwei Jahre ein Angestellter des MSV ist, muss er am Sonntag Schüsse ins eigene Herz abgeben. „Vermutlich werde ich vor dem Spiel schlecht schlafen können“, glaubt der Duisburger Kapitän, der ein „leistungsgerechtes, für die Zuschauer sehr ansehnliches 2:2“ als Wunschergebnis formuliert. „Weil wir dann alle feiern können“, sagt er. Auch wenn Lottner davon ausgeht, dass „ich in Duisburg nie den Stellenwert erreichen werde, wie in Köln“, werden ihm am Sonntag die Fans beider Lager zujubeln.

Er wird das genießen und sich auf den nächsten Höhepunkt freuen. Schließlich warten zum Rückrundenstart im Januar schon die närrischen Tage. Lottner hat bereits erfahren, dass der MSV am Rosenmontag spielfrei ist und der Kapitän will dann den gesamten Kader nach Köln zum Karnevalszug schleppen. „Das muss sein“, sagt er. Vielleicht zieht Norbert Meier dann ja auch mal ein Spitzenkleidchen an. Wenn es schon nicht beim Training klappt.