Porzer Geschichtchen

Weil die NS-Zeit in nur fünf Zeilen behandelt wird, tritt der Schriftleiter des Porzer Geschichtsvereins zurück

KÖLN taz ■ Das Vereinsleben des „Geschichts- und Heimatvereins rechtsrheinisches Köln“, beheimatet in Porz, ist gestört. Schriftleiter Frank Schwalm, verantwortlich für die Jahrbücher, hat nach einem Jahr kurzfristig sein Ehrenamt aufgegeben. Er wirft dem Verein vor, der Porzer NS-Zeit nicht genügend Aufmerksamkeit zu widmen.

Anlass ist ein Artikel für das Jahrbuch 2004 über die evangelische Gemeinde in Porz. „Ganze fünf Zeilen behandeln die Zeit zwischen 1933 und 1945“, erklärt der 36-Jährige. „Das ist zu wenig.“ Zudem ärgert ihn, dass das Buch ohne Rücksprache mit ihm schon in Druck gegeben wurde. Er glaubt weiter, dass die „überwiegend älteren Vereinsmitglieder“ mit der Art, wie er als „Vertreter einer jüngeren Generation von Historikern“ an Themen der Zeitgeschichte herangehe, nicht einverstanden seien. So sei sein Vorschlag, Geschichtsstudenten zur Mitarbeit zu bewegen, auf wenig Gegenliebe gestoßen.

Gleichzeitig will Schwalm seinen Rücktritt auch als Protest gegen die Übernahme des Porzer Archivs durch das Historische Archiv der Stadt Köln verstanden wissen. Dies war im Rahmen städtischer Sparmaßnahmen geschehen. „Das Material lagert dort seit Monaten unzugänglich im Keller“, sagt Schwalm. Angesichts der Personalreduzierung befürchtet er nun, dass das Archiv „über Jahre“ nicht bearbeitet wird und keine Forschung mehr über rechtsrheinische Kölner Geschichte möglich ist.

Verärgert reagiert Vereinsvorsitzender Henning Schützendorf. „Unerhört, das entbehrt jeder Grundlage. Keiner hält etwas zurück“, widerspricht er Schwalms Vorwurf, der Verein stelle sich nicht der Porzer NS-Vergangenheit. Als Historiker und Mitglied des Presbyteriums habe er selber einmal über die Geschichte der evangelischen Gemeinde forschen wollen. „Doch der Aktenordner aus dieser Zeit fehlt einfach“, so Vereinsvorsitzender Schützendorf gegenüber der taz.

„Wir wollen Herrn Schwalm nicht ausbooten“, versichert er. Zu einer persönlichen Aussprache wird es bei der Mitgliederversammlung am kommenden Mittwoch allerdings nicht kommen. „Ich habe schon lange mitgeteilt, dass ich an diesem Tag verhindert bin“, sagt Schwalm. „Davon habe ich gerade erst erfahren“, sagt Schützendorf.

JÜRGEN SCHÖN