„Mit Baggern richtet man dort nichts aus“

Kultursenator Flierl plädiert für Lernprozesse beim Umgang mit privatem und öffentlichem Gedenken. Aber auch für klare, neue Konzepte der Erinnerungskultur – den Checkpoint Charlie eingeschlossen. Eine Gedenk-AG soll es richten

taz: Herr Flierl, die Mauer samt Kreuzen reiße ich nicht ab, auch nach dem 1. Januar 2005 nicht, sollen Sie sinngemäß gesagt haben. Ist das ein Positionswechsel von Ihnen?

Thomas Flierl: Ich denke nicht, dass man dort mit Baggern etwas ausrichten kann. Darum habe ich auch abgeraten, behördlich dagegen vorzugehen. Im Übrigen bin ich dafür gar nicht zuständig. Das betrifft zunächst das Bezirksamt Mitte oder die Stadtentwicklungsverwaltung. Unabhängig davon bleibe ich bei meiner inhaltlichen Kritik: Wir müssen lernen, damit umzugehen, dass es privates und öffentliches Gedenken im Widerspruch zueinander gibt. Jetzt müssen wir den Dialog suchen und die Konzepte aufeinander zu entwickeln.

Es gibt kein Gedenkstätten-Gesamtkonzept bisher. Wie soll man da in einen Dialog treten?

Es existieren seit den 90er-Jahren Konturen eines öffentlichen und dezentralen Konzepts. Denken Sie an die Pflastermarkierung, die Gedenkzeichen oder die Qualifizierung der Gedenkstättenarbeit. Richtig ist aber auch, dass fast 15 Jahre nach dem Mauerfall eine kritische Rückschau gehalten werden muss, um Perspektiven zu entwickeln.

Was ist das Ziel der AG Mauergedenken?

Das Ziel der AG, die ich einberufen habe, ist zunächst eine Bestandsaufnahme und kritische Analyse der derzeitigen Situation. Wir werden Handlungsfelder benennen sowie Lösungen für die bestehenden Orte und Einrichtungen ausarbeiten – von der Topographie des Terrors bis zu den Kreuzen am Bundestag. Das alles dient der Vorbereitung eines Kolloquiums im Frühjahr. Und natürlich geht es auch um den Checkpoint Charlie.

Lässt sich damit der Checkpoint Charlie überhaupt noch „einfangen“?

Ich will der Zukunft dort nicht vorgreifen. Aber bei den offenkundigen Divergenzen und Widersprüchen der Erinnerungsstrategien muss man die Argumente gegen die private Installation qualifizieren. Umgekehrt muss man genau aufnehmen: Welches Bedürfnis an Gedenkkultur wird da befriedigt? Es geschieht vielleicht auf falsche Weise, aber das Bedürfnis gibt es trotzdem. Dem kann man etwa gerecht werden, indem man bestimmte Mauerbereiche beispielsweise mit bestimmten Themen besetzt. Klar ist, die Mauer hat die ganze Stadt durchschnitten. Wir können ein Konzept also nicht auf ein singuläres Gedenken reduzieren. Die Geschichte der Mauer muss vielmehr mit vielen Eingriffen, Institutionen oder Konzepten erkennbar gemacht werden. INTERVIEW: ROLA