Senat kommt in Mauerstimmung

Wenn die ungeliebte Hildebrandt-Mauer etwas erreicht hat, dann dies: Der Senat entwickelt nun ein Gesamtkonzept Mauergedenken. Mit diesem will man das Privatmahnmal am Checkpoint beseitigen

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Die Meinungen über das Mauerspektakel samt seinen Holzkreuzen am Checkpoint Charlie gehen mittlerweile so weit auseinander, wie einst die über den Gegenstand selbst. In einem aber sind sich alle Berliner Gedenkexperten und die zuständigen Politiker einig: Die umstrittene, ja provozierende Geste von Alexandra Hildebrandt, Leiterin des „Museums am Checkpoint Charlie“ und Initiatorin der neuen 140-Meter-Mauer, hat den Finger nicht nur in eine offene Wunde gelegt, sondern zugleich die Frage aufgeworfen, wie und wo in der Stadt der Mauer, ihrer Geschichte und Opfer erkennbarer und konzeptioneller als bisher gedacht werden muss.

Die Strategie, diesen Prozess in Gang zu bringen, hat Bausenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) am Mittwoch im Stadtentwicklungsausschuss des Abgeordnetenhauses vorgestellt. Gar nicht verwerflich, sagte Junge-Reyer ausdrücklich, seien die bestehenden Initiativen, an die Mauer, ihren Verlauf und Abriss sowie an ihren Schrecken zu erinnern – etwa am Checkpoint, an der Bernauer Straße oder mittels von Kunstprojekten und Kennzeichnung im Straßenpflaster. All dies sei „damals aus der Stimmung nach 1989“ entstanden. Heute aber, so die Bausenatorin weiter, „hat ein Gedenken und ein Nachdenken über diese Zeit anders auszusehen“. Zugleich müsse darauf hingearbeitet werden, die Konzepte der jetzigen Gedenkstätten nötigenfalls zu korrigieren – ein Wink mit dem Zaunpfahl für das wenig besuchte Dokumentationszentrum an der Bernauer Straße und die Hildebrandt-Mauer, die laut Junge-Reyer dem „Anspruch an diesen Ort nicht gerecht wird und so nicht Teil des Mauergedenkens bleiben kann“. Der Senat habe dazu eine „AG-Mauergedenken“ mit der Bausenatorin, Kultursenator Thomas Flierl (PDS) und der Senatskanzlei an der Spitze eingerichtet. „Diese wird Handlungsempfehlungen für solche Orte“ und somit ein zukünftiges Gesamtkonzept für dem Umgang mit den Mauergedenkstätten erarbeiten, so Junge-Reyer. Ein vom Bund vorgeschlagenes neues zentrales Mauermahnmal am Brandenburger Tor etwa lehnte die Senatorin ab.

Junge-Reyer bewegt sich mit diesem Gesamtkonzept-Vorstoß, der dem Mauer-Projekt eine Alternative entgegensetzt, auf der Linie des Kultursenators. Sie tut das aber diplomatischer. Flierl hatte sich am Montag noch gegen den Abriss der Checkpoint-Charlie-Mauer mit schwerem Gerät im Januar 2005 gewandt. Stattdessen aber ein Gesamtkonzept angemahnt, das die Holzkreuz-Inszenierung überflüssig macht. Dieses soll nun im Frühjahr 2005 vorliegen und „per Senatsbeschluss“ verbindlich und wirksam werden, sagte Junge-Reyer.

Dass dies den Fraktionen der CDU sowie der Grünen nicht schnell genug geht, und die Versäumnisse der Vergangenheit das anvisierte Mauergedenken erschwerten, kritisieren diese nicht ohne Grund. Nach Ansicht von Karl-Georg Wellmann, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der CDU, sei es „beschämend, dass außer den privaten Gedenkstätten und Museen von Seiten des Landes nichts wirklich vorhanden ist“. Es sei höchste Zeit, sich für ein „Gesamtkonzept zur öffentlichen Darstellung und Aufarbeitung der jüngsten deutschen Zeitgeschichte“ zu engagieren. Der Senat müsse dies „koordinieren und konzeptionieren“.

Auch Claudia Hämmerling, Stadtentwicklungsexpertin der Grünen, moniert das „dürftige Gedenken“ seitens des Landes. Am Checkpoint Charlie trete dies nun augenscheinlich zu Tage. Durch Hildebrandt werde „diese Inhaltsleere etwa durch die Kreuze kompensiert“, sagte die Grüne. Hämmerling sprach sich für die Konzentration des Mauergedenkens auf die Dokumentationsstätte Bernauer Straße aus. Es müsse einen „erlebbaren authentischen Ort geben“. Nur so werde dem „Mickeymaus“ am Checkpoint Charlie – „was wir noch lange haben werden“ – etwas entgegengestellt und vielleicht „entgegenwachsen“.