Daschner stimmt Ankläger milde

Staatsanwaltschaft plädiert im Prozess um die Folterdrohungen des Vize-Polizeipräsidenten nur auf eine Geldstrafe. Anklage hält Daschner trotz schweren Fehlverhaltens „ehrenhafte Motive“ zugute

AUS FRANKFURT HEIDE PLATEN

Überraschend niedrige Strafen hat die Staatsanwaltschaft gestern Vormittag im Prozess gegen den Frankfurter Polizei-Vizepräsidenten Wolfgang Daschner und den mitangeklagten Kriminalhauptkommissar Ortwin E. gefordert. Anklagevertreter Wilhelm Möllers beantragte für Daschner eine Geldstrafe von 27.000 Euro wegen Anstiftung zu schwerer Nötigung und 14.000 Euro für den Mitangeklagten.

Dies entspreche bei beiden der Mindeststrafe von sechs Monaten Haft, erläuterte der Staatsanwalt vor dem Landgericht. Gegen die Zahlung einer Geldbuße von 10.000 Euro im Fall Daschners und 5.000 Euro im Fall des Mitangeklagten an eine gemeinnützige Einrichtung könne diese Haftstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden.

Möllers ließ keinen Zweifel daran, dass es verboten gewesen sei, dem Kindesentführer Magnus Gäfgen in seiner Vernehmung am frühen Morgen des 30. Oktober 2002 mit der Zufügung körperlicher Schmerzen zu drohen, um ihn zu einer Aussage über das Versteck 11-jährigen Jakob von Metzler zu nötigen. Die Angeklagten hätten genau gewusst, was sie taten und die Drohung auch umsetzen wollen. Außerdem, so Möllers, hätten die beiden keinesfalls ohne das Wissen und die Zustimmung der zuständigen Staatsanwaltschaft handeln dürfen. Die Behauptung Daschners, man habe Gäfgen nur Angst machen wollen, glaube er nicht: „Das war nicht die Ankündigung der Ankündigung einer Androhung“, sagte Möllers.

Andere höhere Beamte hätten ihre rechtlichen Bedenken schon am Vorabend geltend gemacht und den Befehl schlicht ignoriert. Laut dem Staatsanwalt handelten die beiden Angeklagten deshalb vorsätzlich und missbrauchten ihre Befugnisse und ihre Stellung in einem „besonders schweren Fall“.

Aussageerpressung durch Gewaltandrohung, so stellte Möllers grundsätzlich fest, sei aus allen rechtlichen Gründen von der UNO-Menschenrechtskonvention über das Grund- bis zum Hessischen Polizeigesetz ausgeschlossen. Das Verfahren tangiere „philosophische, moralische, ethische Bereiche“. Der Einzelfall einer Kindesentführung dürfe nicht geltendes Recht aushebeln. „Minderheitenmeinungen“, die diesen Rechtsgrundsatz aufweichen wollten, seien abzulehnen. Gewalt bei Vernehmungen verletze die Menschenwürde und sei keine Nothilfe oder Gefahrenabwehr.

Sie sei auch nicht mit dem finalen Rettungsschuss zu vergleichen, bei dem der Täter unmittelbar Leben bedrohe und deshalb außer Gefecht gesetzt werden müsse. Andere Entscheidungen könnten einen „Dammbrucheffekt“ erzeugen und die Menschenwürde „antastbar machen“, warnte Möllers: „Hier ist die Tür zu einem dunklen, verbotenen Raum einen Spalt weit geöffnet worden.“ Daschner habe dem Rechtsstaat geschadet. Deshalb dürfe es keinen Freispruch geben.

Andererseits aber zählte Möllers eine ganze Reihe strafmildernder Gründe auf. Beide Angeklagten hätten „ehrenhafte Motive“ gehabt, seien „gewissenhafte, untadelige Beamte“ und durch das Verfahren und die öffentliche Diskussion eigentlich schon genug bestraft. Außerdem habe er als Mensch Verständnis dafür, dass Daschner in Sorge um das Leben des Kindes „eine einsame Entscheidung, die falsch war“, getroffen habe. Möllers selbst zeigte sich überzeugt, dass Daschner sein Fehlverhalten eigentlich bereue, nur sei das „nicht deutlich rübergekommen“. Der Angeklagte hatte seine Entscheidung mit einem übergesetzlichen Notstand und der für das Opfer dringend gebotenen Hilfe gerechtfertigt. Das Urteil soll am 20. Dezember gesprochen werden.