U-Boot-Suche in Dresden

AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH

Wieder zwei Stimmen aus dem Regierungslager im Sächsischen Landtag für einen NPD-Kandidaten – und drei Enthaltungen dazu. Die Wahl zum sächsischen Ausländerbeauftragten gestern wiederholte den Eklat der Ministerpräsidentenwahl von Anfang November. Mirko Schmidt aus der zwölfköpfigen NPD-Fraktion hieß diesmal einer der Gegenkandidaten von CDU-Favoritin Friederike de Haas, und wieder bekam er 14 Stimmen – wie seinerzeit Uwe Leichsenring als Kontrahent von Georg Milbradt.

Zwei U-Boote sind hartnäckig auf Tauchfahrt in die Vergangenheit. Ihre Herkunft lässt sich nun eindeutiger lokalisieren. PDS und Bündnisgrüne stimmten jeweils in Fraktionsstärke für ihre eigenen Kandidaten, die FDP gab laut Fraktionschef Volker Zastrow alle sieben Stimmen der CDU-Favoritin. Bleiben nur CDU und SPD. Bezieht man die vielsagenden Andeutungen aus der NPD-Fraktion mit ein, scheidet eigentlich auch die SPD aus.

Es hat wenig geholfen, dass der CDU-Fraktionsvorsitzende Fritz Hähle sich alle seine Fraktionskollegen nach einer missglückten Probeabstimmung in der Fraktion einzeln „vorgenommen“ hat, Ministerpräsident Milbradt und CDU-Generalsekretär Winkler einmal ausgenommen. Erreicht hat er immerhin, dass die frühere Gleichstellungsministerin Friederike de Haas im ersten Anlauf mit 70 von 123 Stimmen gewählt wurde. Sie tritt die Nachfolge des parteiübergreifend anerkannten Pfarrers Heiner Sandig an, der durch einen Coup des ehemaligen Olympia-Staatssekretärs Wolfram Köhler von der Direktkandidatur in seinem Riesaer Wahlkreis verdrängt wurde. Sandig hätte das Amt auch als Nichtmitglied des Landtages weitergeführt, wofür es aber einer Gesetzesänderung bedurft hätte.

So weit wollte aber die CDU-Fraktion nicht gehen: eine von der NPD angreifbare „Lex Sandig“ zu schaffen. Darauf zu achten, ist auch dringend nötig, denn offensichtlich hat die CDU zumindest in Teilen ein Abgrenzungsproblem zu den Nationalisten. In erfrischender Klarheit hatte Ministerpräsident Georg Milbradt in der vorausgegangenen Regierungserklärung eine Attacke gegen die NPD geritten und dafür den Beifall aller fünf demokratischen Fraktionen erhalten.

Sein Redenschreiber hatte gut recherchiert. Goebbels-Zitate stellte er neben solche des NPD-Fraktionschefs Holger Apfel und anderer rechtsextremer Quellen. „Wir gehen in den Reichstag hinein, um uns im Waffenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen“, hatte Goebbels 1928 geschrieben. Genau diese Rolle des Wolfes im Schafspelz wiederhole sich heute, so Milbradt. Die NPD missbrauche die Parlamente für ihr eigentliches Ziel, die Abschaffung der bundesdeutschen parlamentarischen Demokratie.

Man wurde indes das Gefühl nicht los, dass diese deutlichen Worte auch pro domo gesprochen waren. NPD-Sympathisanten konnten dennoch der Versuchung nicht widerstehen, dem Programm des rechten Kandidaten zuzustimmen. Nach NPD-Auffassung sollte ein Ausländerbeauftragter nur noch vorübergehend für die „Heimkehr in Würde“ der Ausländer sorgen. Wieder verbrämt die braune Fraktion im sächsischen Landtag geschickt ihre latente Ausländerfeindlichkeit. Man habe natürlich nichts gegen ausländische Unternehmer oder Wissenschaftler, sondern nur gegen Scheinasylanten und Wirtschaftsflüchtlinge, hatte Uwe Leichsenring tags zuvor betont.

Fraktionsgeschäftsführer Peter Marx verteilte am Rande des Plenums grinsend Informationen aus dem Internet, die an das „Gesetz zur Förderung der Rückkehrbereitschaft von Ausländern“ der Kohl-Regierung aus dem Jahr 1983 erinnern. Solche inhaltliche Nähe mussten wohl auch zwei Unionsabgeordnete verspürt haben. NPD-Fraktionssprecher Holger Szymanski rechnet fest mit Fraktionsübertritten im Laufe der Legislaturperiode. Man habe Signale, führe aber noch keine konkreten Gespräche. Die drei Enthaltungen aus dem Regierungslager zeigen außerdem, dass die CDU-SPD-Koalition in Sachsen nur über eine labile Mehrheit verfügt und vor allem ein geschlossenes Auftreten gegenüber den Nationalisten behindert. Rechnet man die sieben FDP-Stimmen ab, schaffte die neue Ausländerbeauftragte gerade so die erforderlicher Mehrheit von 63 Stimmen.

Die Landtagsdebatte demonstrierte wiederum, wie sehr die NPD weiterhin die Themen und das Verhalten der anderen Fraktionen diktiert. Zu Sitzungsbeginn entfachte sie mit einem dringlichen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses wegen der Krawalle bei einer Antifa-Demo in Pirna eine Debatte über linke und rechte Gewalt. Eine Gelegenheit, sich selbst demagogisch als wahrer Hüter von Recht, Ordnung, Sicherheit und Demokratie zu präsentieren.