Merkel versinkt im Steuerchaos

STEUERSTREIT Der Plan der Kanzlerin, in der nächsten Legislaturperiode Steuern zu senken, stößt in der CDU auf Kritik. Das sei nicht verantwortbar, sagt etwa Baden-Württembergs Finanzminister Stächele

BERLIN afp | Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekommt weiter Gegenwind aus der eigenen Partei für die von ihr geplanten Steuersenkungen. Steuerentlastungsprogramme seien derzeit haushaltspolitisch nicht verantwortbar, erklärte der baden-württembergische Finanzminister Willi Stächele (CDU) am Dienstag in Stuttgart. Wirtschaftsexperten mahnten, der Staat habe in den nächsten Jahren keinen Spielraum für nennenswerte Steuersenkungen.

Stächele rechnete vor, dass allein die Dämpfung der schleichenden Steuererhöhung für mittlere Einkommen bei steigenden Löhnen, die kalte Progression, sein Land etwa 250 Millionen Euro kosten würde. Weitere Vorschläge, wie den Spitzensteuersatz erst ab 60.000 Euro Jahreseinkommen greifen zu lassen, würden Baden-Württemberg weitere 300 Millionen Euro kosten. „Dies können wir uns im Moment nicht leisten“, erklärte der Finanzminister.

Der nordrhein-westfälische Finanzminister Helmut Linssen (CDU) sagte, es sei „völlig klar“, dass Entlastungen bei der „kalten Progression“ sein sollten und müssten. Ebenso richtig sei jedoch, dies unter Haushaltsvorbehalt zu stellen, „denn wir werden sicherlich vor 2011 kaum tief durchatmen können“. Er fügte im WDR hinzu: „Und deshalb sollte man den Mund auch nicht zu voll nehmen.“

Der Vorsitzende des Sachverständigenrats der Bundesregierung, Wolfgang Franz, bezeichnete Steuersenkungen als die falsche Priorität. „Wir müssen vorrangig die Neuverschuldung abtragen – das geht nur durch Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen“, sagte der Chef des Zentrums für Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim der Bild-Zeitung. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) vertrat Merkels Linie. „Wir werden in unserem Regierungsprogramm durch Korrektur der kalten Progression eine Steuerentlastung für untere und mittlere Einkommen für die nächste Legislaturperiode ankündigen“, sagte er der Bild-Zeitung. Dagegen sagte Unionsfraktionsvize Michael Meister (CDU) im Kölner Stadt-Anzeiger vom Dienstag, die Haushaltskonsolidierung stehe für ihn im Vordergrund. Eine Steuerreform komme infrage, „sofern Spielraum geschaffen werden kann“.