Kommentar: Föderalismus-Reform
: NRW hat viel zu verlieren

Ministerpräsident Peer Steinbrück will den deutschen Föderalismus reformieren. Was die Mütter und Väter des Grundgesetzes 1949 wohlüberlegt beschlossen haben, nämlich die Machtverschränkung zwischen Bund und Ländern, ist angeblich nicht mehr zeitgemäß. Steinbrück will weniger Reibungsverluste, die Zeitökonomie bei der Entscheidungsfindung zwischen Bund und Ländern stimme nicht. Komisch, dass sich ausgerechnet der Regierungschef des bevölkerungsreichsten Landes zum Kritiker des Länderorgans Bundesrat aufschwingt. Steinbrücks Amtsvorgänger Heinz Kühn und Johannes Rau wären nie auf die Idee gekommen, die grundgesetzlich garantierten Einspruchsmöglichkeiten der Länderkammer zu verurteilen.

Mit seinen forschen Vorschlägen für eine Entflechtung des Bund-Länder-Verhältnisses könnte sich Steinbrück bei Themen wie dem Beamtenrecht in der Tat neue Handlungsmöglichkeiten eröffnen. Mehr Gestaltungsföderalismus ist ein hehres Ziel. Der Bund jedoch wird im Gegenzug versuchen, seine Macht in der Verfassung auszubauen. Die beiden Vorsitzenden der Föderalismuskommission, SPD-Fraktionschef Franz Müntefering und Bayerns CSU-Ministerpräsident Edmund Stoiber, scheinen sich einig: Der Bund soll befreit werden von lästigen Blockademöglichkeiten der Länder. Mag Stoiber noch immer von einer Zukunft im Bund träumen – der Einfluss Nordrhein-Westfalens auf die Bundesgesetzgebung droht zu sinken. Das größte Bundesland hat viel zu verlieren.

MARTIN TEIGELER