Mit Brahms im Wasserbad

Sichtbar, hörbar, fühlbar: Daniel Goldin hat für seine Choreographie „Brahms.Variationen“ die Städtische Bühne in Münster fluten lassen. Eine Steigerung des synästhetischen Effekts, eine Interpretation ganz nah an der Musik

Die alte Schleuse des Dortmund-Ems-Kanals, das wäre mal ein Ort für das Theater gewesen! Darsteller in einer Schleusenkammer, knietief im Wasser, vor alten Stahltoren, hinter denen sich das Wasser aufstaut. Aber jetzt wird die Schleuse nach und nach ausgetauscht gegen eine neue. In den nächsten Jahren ist sie dann ganz verschwunden.

Daniel Goldin hat nun für seine neue Choreographie „Brahms.Variationen“ immerhin die Städtische Bühne in Münster fluten lassen. So entsteht zwischen hellgrünen Wänden der Raum eines altertümlichen Schwimmbads in symbolismusähnlicher Atmosphäre. Wobei Schwimmbad dann doch nicht ganz stimmt. Die Tänzerinnen und Tänzer bewegen sich nur knöcheltief im Wasser.

Eine „richtige“ Handlung existiert nicht. Die Handlung ist die Variation, die der Musik, Brahms‘ Variationen über Motive von Schumann, Haydn und Händel für Klavier. Und die der tänzerischen Bewegungen bei ihrer Interpretation. Die Musik liefert die Vorgabe, auch was die Dauer angeht. Das führt zwar zu ein, zwei kleineren Längen. Insgesamt aber gelingt das Konzept ausgezeichnet. Die Choreographie setzt Kontrapunkte gegen die Musik des „genialischen“, noch nicht 30-jährigen Brahms, sie gewinnt den romantischen und romantisierenden Akkorden durchaus Ironisches ab, Spielerisches gar, bis hin zum Synchron-Purzelbaum. Goldins Interpretation aber ist zugleich ganz nah an der Musik. Seine spezifische Körpersprache – und die seines Ensembles – besteht in raschen wiederkehrenden Bewegungen, Gesten, die sich oft steigern zu Momenten des Gefangenseins im Wiederkehrenden. Kontrastiert wird das von traumartig gedehnten Abläufen. Das wirkt hier fast wie eine Art Übers-Wasser-Gehen. All das passt augenfällig zu dieser Musik, reflektiert nichtsdestotrotz auch Brüche.

Überhaupt: Tanzen im Wasser. Es bewirkt eine Steigerung des synästhetischen Effekts. Jede schnellere Bewegung ist zugleich hörbar als lautes Platschen, ist sichtbar, wenn das Wasser aufspritzt, und in der vorderen Publikumsreihe auch fühlbar. Das Wasser wird so zur Verlängerung der Körperbewegungen und zu ihren Variationen.

MARKUS TERMEER

„Brahms.Variationen“, MünsterHeute, 12., 26., 28. DezemberKarten: 0251-41467100