Hauptschule kämpft um Ruf

Mit der Abschaffung der Hauptschule seien die Bildungsprobleme in Deutschland nicht gelöst, kritisieren ihre RektorInnen. In einer „Schule für alle“ würden die Schwachen untergehen, meinen sie

VON NATALIE WIESMANN

Mit ihrer Äußerung, die Hauptschule habe „keine Zukunft mehr“, hat Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) RektorInnen und ElternvertreterInnen in Nordrhein-Westfalen verärgert. „Wer so etwas behauptet, hat nie eine Hauptschule betreten“, sagt Martina Tebbe, Rektorin der Hauptschule Wethmar in Lünen. Das Problem sei aus ihrer Sicht nicht die frühe Trennung des Nachwuchses in Haupt-, Realschüler und Gymnasiasten, wie es neben der Bundesministerin auch die Grünen in NRW propagieren. Tebbes frühere Tätigkeit als Lehrerin an einer Gesamtschule habe ihr gezeigt, dass dort leistungsschwache SchülerInnen viel mehr untergingen als an der Hauptschule. „Bei uns werden die Kinder besser aufgefangen“, sagt Tebbe über ihre Schule, die sie vor einem Jahr übernommen hat.

Das Problem sei vielmehr, dass die Kinder, die auf der Hauptschule landen, oft schon von der Gesellschaft und dem Elternhaus „kaputt gemacht“ worden seien. „Daran ändert auch die Einführung einer Einheitsschule nichts“, so Tebbe. Dass hier aufgewachsene Einwandererkinder laut PISA II schlechter in der Schule abschneiden als ihre Altersgenossen in anderen Ländern, sei kein Defizit der Schule: „Die Politik hat nicht für ihre Integration gesorgt. Und die Schule muss das ausbaden.“

Auch Franz Hölscher und Hans-Georg Schmitz, Rektoren der beiden Hauptschulen in Oer-Erkenschwick, sehen ihre Arbeit nicht gewürdigt. „Bevor Bulmahn uns niedermacht, sollte sie uns ein schlüssiges Konzept vorlegen“, so Hölscher. Der Vorteil der Hauptschulen seien eindeutig die kleinen Klassen. „Bei uns kennen die Lehrer ihre Schüler beim Namen“, weiß Hölscher, auf dessen Schule über 300 SchülerInnen unterrichtet werden. Beide Rektoren haben grundsätzlich nichts gegen die Idee, unterschiedlich starke Schüler länger in einem Klassenverband zu lassen. Doch damit seien die Bildungsproblemenicht gelöst: „Die Politiker, die damals für die Einführung der Gesamtsschule getönt haben, schicken ihre Kinder auf das Gymnasium“, so Hölscher. Und Schmitz fügt hinzu: „Wir bekommen dafür Kinder, die ‚nicht gesamtschulfähig‘ sind, wie sollen wir das interpretieren?“

Auch der Elternrat der Hauptschulen in NRW wehrt sich dagegen, dass diese Schulform ein Auslaufmodell sein soll: Das Problem liege vor allem bei den Eltern, die ihr Kind als etwas Besseres sehen, sagt ihr Sprecher Manfred Pollmann: „Die glauben, sie müssten sich über eine Hauptschulempfehlung hinwegsetzen.“ Dann gelangten ihre Kinder vom Gymnasium auf die Realschule und dann auf die Hauptschule. „Und die muss die frustrierten Kinder wieder aufpeppeln“.

Genau diese Durchreich-Mentalität sei das Problem der Hauptschulen, sagt Karin Görtz-Brose, Vorsitzende des Landeselternrats der Gesamtschulen NRW. Daran könnten auch engagierte RektorInnen nichts ändern. „Endlich ist ein Tabu gebrochen“, wertet sie die momentane Diskussion um eine Schule für alle. In ihrer Funktion plädiert sie schon lange für ein flächendeckendes integriertes Schulsystem. Die PISA-Zahlen haben dies belegt: Die Chancen für ein Kind aus gebildetem Elternhaus Abitur zu machen, ist hierzulande sieben mal größer als für ein Kind aus so genannten bildungsfernen Schichten.