Ein Bild von einem Wolf

Weitab von Schauermärchen oder Verklärung: Das Buch „Wölfe in Deutschland“ zeigt ein Tier in seiner Art, das tut, was ihm seine Überlebensinstinkte vorschreiben

Der Wolf kam am zwanzigsten Tag – für ein paar kurze Minuten. Während der folgenden 60 Tage, die Uwe Anders hinter seiner Kamera auf dem Ansitz saß, kam der Wolf nicht mehr. Tierfilmerschicksal. Zumal wenn der Titel der Produktion „Wölfe in Deutschland“ lautet.

Beatrix Stoepel beschreibt solche Momente in ihrem gleichnamigen Buch, das die Geschichte des bisher einzigen Rudels wilder Wölfe in der BRD erzählt. Die 46-jährige gelernte Biologin aus Hamburg arbeitet als Producerin in der Naturfilmredaktion des NDR und somit an der Schnittstelle von Tierwelt, Artenschutz und Medien.

Folgerichtig handelt ihr „Buch zur Sendung“ davon, wie sich die Wege der Beteiligten aus diesen drei Bereichen kreuzen – von der ersten Zeitungsmeldung vom Auftauchen wilder Wölfe in den Wäldern der sächsischen Oberlausitz 1996 über die langwierigen Dreharbeiten der Tierfilmer bis zu den jahrelangen Bemühungen der Bremer Biologin Gesa Kluth, an der sächsisch- polnischen Grenze ein Miteinander zwischen den Wölfen und ihren menschlichen Nachbarn zu organisieren.

„Wölfe in Deutschland“ ist die Geschichte einer Spurensuche – buchstäblich, denn das einzige, was Tierfilmer, Wissenschaftler oder die Schäfer in der Lausitz in der Regel von einem Wolf zu sehen bekommen, sind die Abdrücke seiner Pfoten im Heidesand oder im Schnee. Um so beeindruckender ist die Fülle an Aufnahmen, mit der Stoepels Buch seinen Lesern die Welt der Wölfe nahe bringt. Sie zeigen ein Tier in seiner Art, das, weitab von Schauermärchen oder zivilisationsüberdrüssiger Verklärung, tut, was ihm seine Überlebensinstinkte vorschreiben.

Und so ist das Buch denn auch ein Plädoyer für ein verstärktes „Wildlife Management“, das, aufbauend auf die Verhaltensforschung, lokale Politik, Artenschutz und Anwohnerinteressen zusammenführt, damit Canis lupus als Erbe der Wildnis auch hierzulande eine natürliche Zukunft hat. Heinz-Günter Hollein

Beatrix Stoepel, „Wölfe in Deutschland“; Hoffman und Campe, 24,95 Euro; 27.12.: ARD, 15.15 Uhr, Expeditionen ins Tierreich