Alle Jahre wieder

Das Einkaufen von Weihnachtsgeschenken: Routiniert-blasiertes Timing oder Stress auf den allerletzten Drücker? Zwei Erfahrungsberichte

Die größte Überrschung ist ja eigentlich immer Weihnachten selbst. Nicht ewa dessen Existenz – an die hat man sich mittlerweile gwöhnt. Nein, der Termin ist es, der einem allnovemberlich zu schaffen macht. Mit schreckgeweiteten Augen geht man die zu Beschenkenden durch und wird gewahr, dass Problemkandidaten problematisch geblieben, dass sie übers Jahr weder ihr Interessenspektrum beträchtlich erweitert noch ein frisches Hobby angefangen oder gar mit Plastikfrosch-Sammeln begonnen haben.

Nun kann man ja durch geschicktes Timing gewisse Familienfeiern noch leidlich verhindern und dies gegebenenfalls durch geschickte Bedauernsbekundungen dekorieren. Ums Schenken allerdings wird man sich so kaum herumdrücken können, ist doch die Post trotz allem in der Lage, Verschicktes letztlich zuzustellen. Auch eine Weiter- und Übergabe durch die wenigen – heimlich besuchten – Lieblingsverwandten kommt in Betracht.

Was also tun, um der alljährlich-adventlichen Verschenker-Pein zu entrinen? Auf seinem Sofa sitzen und das Fest einfach verschlafen? Behaupten, man sei über Nacht zum Atheismus konvertiert? Ein nur bedingt taugliches Argument, kann man doch auch in diesem Fall christliche Beschenktwerd-Wünsche der anderen respektieren. Hoffen, dass der Adventskranz samt Wohnung über einem abbrennt, damit man künftig, mittellos, eine gute Ausrede habe?

Problematische Optionen allesamt, setzen sie doch eine überproportional hohe Opferbereitschaft voraus, die man dem schnöden Feste dann doch nicht zollen möchte. Bleibt also nur noch eins: die säuberliche Verteilung der Geschenkkauf-Last auf zwölf Monate – ein in Fachkreisen als „überlegen-langfristige Planung“ bekanntes Phänomen. Nicht eingerechnet sind hier natürlich Geburts- und Namenstage, die, in manchen Monaten geballt auftretend, eine zusätzliche Erschwernis bedeuten. Aber nur so – durch ganzjähriges Grübeln über der zu Beschenkenden mögliche Bedürfnisse – lässt sich vorweihnachtliche Kauf-Kurzatmigkeit vermeiden – ganz abgesehen vom ungemein (nun ja, nicht gerade den Charakter) reinigenden Effekt, der eintritt, wenn man oktobers mit blasiert-selbstzufriedenem „Ich hab schon alle Geschenke“-Gesicht durch die Meute der Verzweifelten schreitet. Wenn man mal davon absieht, dass einen manch Neider darob ganz schnöde für „bekloppt“ erklärt, kann es da ungeheuer erhebende Momente geben.Petra Schellen

Herrje, es ist es doch jedes Mal wieder dieselbe vertrackte Chose. Man hat Spekulatius kauend die Adventswochenenden vertändelt und spöttisch die aufgeregten montäglichen Wasserstandsmeldungen des Sprechers des deutschen Einzelhandelsverbandes, der seit einer halben Ewigkeit auf den herrlichen Namen Hubertus Pellengahr hört, zur Kenntnis genommen. Dann, so gegen Nachmittag des 23. Dezembers oder wahlweise am Vormittag des Heiligen Abends, kriecht ein leichter Anflug von Nervosität den Nacken hinan, der sich von Stund‘ zu Stund‘ in Richtung Panik steigert. Jetzt muss es also wirklich sein, es gibt kein Entrinnen mehr. Weihnachtsgeschenke müssen her. Also hetzt man in die Innenstadt, die heute – auch wenn es sich um Norderstedt oder Pinneberg handelt – allüberall „City“ heißt, quetscht sich durch dröge Passagen und überheizte Einkaufszentren und setzt sich dem gar schrecklich-zuckersüßen Oh-du-fröhliche-leise-rieselt-der-Schnee-Musikbrei aus, der aus allen Ritzen rieselt. Wenn es ganz schlimm kommt, wimmert einem der Schuhladen „Maria durch ein Dornwald ging“ entgegen, aber so schlimm ist es zum Glück nur selten. Natürlich weiß der geübte Last-Minute-Weihnachtsgeschenke-Einkäufer genau, dass diese Methode bescheuert ist. Er grabscht sich Dinge, die all die anderen, fürchterlich abgeklärten Früheinkäufer mit ihren angstgeweiteten Augen angeekelt in den Regalen liegen gelassen haben, er stürzt in Geschäfte, die er sonst nie betreten würde und deren Verkaufspersonal längst nur noch auf dem Zahnfleisch daherkommt. Er wühlt in Wäsche, befingert CDs oder hässliche Kalender und erwägt einen kurzen Moment lang allen Ernstes, seiner Holden vielleicht einen Werkzeugkasten, einen Fleischklopfer oder eine Joschka-Fischer-Biographie zu kaufen. Die traurigen Endstationen einer solchen Weihnachtshatz auf den letzten Drücker sind bekannt: die Parfumérieabteilung von Karstadt, das Klamottenregal bei Tchibo und, wenn es ganz schlimm kommt, die Focus-Bestsellerwand einer Buchhandels-Kette. Am Heiligen Abend freut sich Vati dann ganz arg lieb über ‘ne Packung köstlichsten tazpresso, Mutti über ein Fläschchen Vita Burlecitin und der Bruder über den Cartoon-Abreißkalender. Und die Holde haut einem den Fischer um die Ohren. Oh Heiland, reiß die Himmel auf! Markus Jox