Bildung wird bald billig

Bildungssenator Klaus Böger (SPD) will arbeitslose Lehrer in so genannten Ein-Euro-Jobs beschäftigen. Sie sollen helfen, die Deutschkenntnisse von Vor- und Grundschülern zu verbessern

Berlins Bildungssenator Klaus Böger (SPD) will arbeitslose Lehrer verstärkt im Rahmen von so genannten Ein-Euro-Jobs beschäftigen. Arbeitslose Lehrer und Erzieher sollen nach dem Willen des Senators bei der Sprachförderung von Grund- und Vorschülern mithelfen. Bedarf für qualifiziertes Personal dürfte es reichlich geben: Immerhin 38.000 Berliner Kinder, die im kommenden Jahr eingeschult werden, müssen sich bis zum Jahresende einem Sprachtest unterziehen. Kinder, die den Anforderungen nicht genügen, müssen ab Februar des kommenden Jahres an einem verbindlichen Sprachkurs teilnehmen.

Von einer besseren Sprachförderung sollen nicht allein die Schüler profitieren, die nach einem halben Jahr Sprachunterricht hoffentlich deutlich besser in der Lage sein werden, sich zu artikulieren – und auch andere besser zu verstehen. Arbeitslose Lehrer sollen ebenfalls einen Nutzen ziehen: aus der Beschäftigung auf Ein-Euro-Basis, weil sie „Erfahrungen in der Praxis sammeln und ihre Berufsaussichten verbessern“, meint Rita Hermanns, Sprecherin des Bildungssenators.

Kritik, dass die „Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigungen“, so heißen die Ein-Euro-Jobs offiziell, bestehende Arbeitsverhältnisse gefährden oder Neueinstellungen verhindern, weist die Senatsverwaltung zurück. „Wir legen strikten Wert darauf, dass es sich um zusätzliche Jobs handelt“, so Rita Hermanns. Durch die Arbeitsgelegenheiten, die mit bis zu 2 Euro pro Stunde honoriert werden können, werde „kein einziger regulärer Job“ reduziert und keine „einzige Einstellung verhindert“. Vielmehr gehe es darum, „die Mitarbeiter zu unterstützen, die schon da sind“. Profitieren sollen Schüler etwa dadurch, dass zusätzliches Personal ihnen vorliest, bei den Hausaufgaben hilft oder eben über das übliche Pensum hinaus Sprachkenntnisse vermittelt.

Schon jetzt gebe es „haufenweise Anfragen“ von arbeitslosen Grundschullehrern, die sich für diese Beschäftigungsmöglichkeiten interessieren. „Viele arbeitslose Pädagogen sehen darin eine Chance, sich in der Schule auszuprobieren und Erfahrungen zu sammeln“, so die Sprecherin. Erfahrungen, von denen sie vor allem ab dem kommenden Jahr profitieren können, wenn die Berliner Schulen stärker als bisher ihre Lehrer auswählen können. „Lehrer, die zum Beispiel konkrete Erfahrungen mit Sprachkursen gesammelt haben, haben bessere Karten, wenn sie sich an Schulen bewerben, die einen hohen Migrantenanteil haben.“

Ein-Euro-Jobs könnten „sowohl für die Kinder als auch die arbeitslosen Lehrerinnen und Lehrer ein Gewinn sein“, erklärt Volker Ratzmann, bündnisgrüner Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus. Voraussetzung sei jedoch, dass die Betroffenen nicht gezwungen werden, diese Jobs anzunehmen, sondern es freiwillig tun. „Wer zum Unterrichten gezwungen wird, ist unmotiviert“, so Ratzmann, „und darunter müssten im Endeffekt die Vorschüler und Vorschülerinnen leiden.“

Für den Berliner Landesverband der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ist der Vorstoß des Bildungssenators „ein Skandal“: „Der Spracherwerb von Kindern ist ein viel zu wichtiges Thema, als dass man es mit der Debatte um Ein-Euro-Jobs verknüpfen darf“, sagt Ulrich Thöne. Statt Berufsanfänger einzustellen, denen in der Regel „die Erfahrung“ fehle, müsste der frühkindliche Spracherwerb durch „gezielte Neueinstellungen“ verbessert werden. Seit 1996 seien aber zahlreiche Sprachkurse innerhalb der Schulen „dem Rotstift zum Opfer gefallen“. Auch bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Sprachförderung müsse umgedacht werden: „Es muss in erster Linie um Verständlichkeit gehen und in zweiter Linie um sprachliche Richtigkeit“, so der GEW-Chef. Eine weitere Kritik: Sprachförderkurse auf der Basis von Ein-Euro-Jobs seien sicher keine „zusätzlichen Leistungen, sondern eindeutige Pflichtaufgaben des Staates“, die mit regulärem Personal bestritten werden müssten.

Ähnlich argumentiert Ingo Kolf, Arbeitsmarktexperte des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB): „Es gibt seit längerem einen klaren Trend dahin, Arbeitsverhältnisse zweiter Klasse zu schaffen, die sich nicht mehr an tariflichen Standards orientieren.“ Doch nur wer in sicheren Arbeitsverhältnissen mit einer beruflichen Perspektive beschäftigt sei, „bildet sich fort und engagiert sich für seinem Arbeitsbereich“. VOLKER ENGELS