ABSCHIEBUNGEN
: Mehr Mumm, Herr Körting

Er hat sich gesprächsbereit gezeigt, als es ihm um die Befriedung der 1.-Mai-Proteste ging, er reagierte besonnen auf die Hysterie nach weltweiten Terroranschlägen, und im Umgang mit Neonazis setzt er nicht auf Totalverbote, sondern sucht die zivilgesellschaftliche Auseinandersetzung. Lange hat Berlin keinen so geschickt taktierenden und zugleich bedachten Innensenator erlebt wie Ehrhart Körting. Nur in einem Bereich zeigt er sich so unnachgiebig wie seine bornierten Vorgänger: bei der Abschiebung von Flüchtlingen.

KOMMENTAR VON FELIX LEE

Dabei klang es so viel versprechend, als Körting kurz nach seinem Amtsantritt verkündete, er wolle mit den verkrusteten Strukturen beim Ausländeramt aufräumen, wo bis heute die Devise gilt: Flüchtlinge sind eine Last und gehören daher abgeschoben.

Aus Körtings Vorhaben, eine moderne und liberale Behörde aufzubauen, die nach bestem Gewissen das Einzelschicksal eines jeden Flüchtlings beurteilt, ist nur wenig geworden: die Hardliner seiner Vorgänger sitzen nach wie vor hinter den Schreibtischen. Kein Wunder also, dass skandalöse Abschiebungen wie die Nacht-und-Nebel-Zwangsausweisung einer Epileptikerin in das medizinisch völlig unterversorgte Kosovo eher die Regel sind und nicht die Ausnahme.

Körting stellt sich hinter seine Behörde und beruft sich auf Vereinbarungen der Innenministerkonferenz. Das muss er nicht. Vor allem muss er sich nicht an Hardlinern wie Günther Beckstein und Jörg Schönbohm orientieren. Schleswig-Holstein hat gezeigt, dass Kulanz durchaus möglich ist. Dort gilt die neue Härtefallregelung seit Monaten.

Auf die Hilfe seines Koalitionspartners braucht er allerdings nicht zu setzen. Solange die PDS in der Opposition war, fuhr sie mit der Skandalisierung von Einzelschicksalen den richtigen Kurs. Seit sie in Regierungsverantwortung ist, wird jedoch deutlich, wie wenig das Thema in der Ostpartei verankert ist. Der PDS fehlen die flüchtlingspolitischen Konzepte.

Es liegt also ganz allein in Körtings Hand, mit der Ausländerbehörde aufzuräumen. Wenn er denn will.

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