Frau Doktor steckt in der Lohnfalle

Frauen verdienen weniger als Männer, heißt es oft. Das stimmt so pauschal nicht. Jetzt fanden Wissenschaftler heraus, dass die Gehaltslücke insbesondere bei hohen und niedrigen Einkommen klafft. Letzteres ist vor allem ein deutsches Phänomen

AUS BERLIN COSIMA SCHMITT

Das Problem hat Tradition. Frauen verdienen im Schnitt weniger als ihre männlichen Kollegen. Selbst im gleichen Job, auch bei vergleichbarer Qualifikation. Doch für wen genau gilt das – und warum?

Dies zu klären, hat ein Forscherteam des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) nun die Löhne in elf europäischen Ländern untersucht. Sie fanden heraus: Nicht die durchschnittliche Angestellte wird massiv finanziell benachteiligt. Vielmehr klafft ein Gefälle bei den niedrigen Einkommen – und bei den Hochqualifizierten, die in Führungsposten und Chefsessel drängen.

„Gläserne Decke“ nennen das die Forscher. Die Frauen können sich der Spitze annähern. Sie studieren, promovieren, bilden sich fort – doch auf ihrem Konto schlägt sich das nicht angemessen nieder. „Die Kluft bei der Bezahlung ist üblicherweise größer an der Spitze der Einkommensverteilung“, fanden die Wissenschaftler heraus. Allerdings ist das in Deutschland weit weniger ausgeprägt als etwa in Finnland. „Typisch deutsch“ ist eher ein zweites Phänomen: „die klebrigen Fußböden“. So nennen die Forscher den Umstand, dass in einigen Ländern „die Kluft am unteren Ende der Einkommensverteilung ausgeprägter ist“ – Frauen können sich nicht aus ihrer Billiglohnjobs lösen.

Für alle Länder gilt: Vor allem in der Privatwirtschaft werden Frauen finanziell benachteiligt. Frauen im Staatsdienst stehen besser da, ermittelt die Studie. Denn dort kann die Regierung direkt eingreifen und Diskriminierung verbieten. Deutsche Frauen etwa dürfen sich in diesen Jobs über das gleiche Gehalt freuen wie ihre Kollegen. Das gilt sonst nur für Österreich. Für ihre Studie durchforsteten die Forscher eine Datenflut: die Statistiken des „European Community Household Panel“, die seit 1994 gesammelt werden. Dabei konzentrierten sie sich auf die 22- bis 54-Jährigen in Deutschland, Österreich, Italien, Frankreich, Großbritannien, Spanien, Finnland, Dänemark, den Niederlanden, Belgien und Irland.

Sie fanden viele Fakten – aber wenig Anhaltspunkte, wie sie zu begründen sind. Warum stoßen Europas Karrierefrauen an eine gläserne Decke? Eine Erklärung versucht eine Studie aus dem Jahr 2003, die sich den Lohneinbußen schwedischer Frauen widmet. Zunächst vermuteten die Wissenschaftler: Frauen wählen vor allem Berufe, die familienfreundlich, aber nicht sehr einträglich sind. Dies erwies sich zwar nicht als falsch, aber auch nicht als hinreichende Erklärung. Denn selbst innerhalb einer Berufsgruppe werden Männer besser bezahlt als ihre Kolleginnen.

Eine andere mögliche Ursache beleuchtet eine englische Studie aus dem Jahr 2003. Sie fand heraus, dass Frauen bei Gehaltsverhandlungen schlechter abschneiden als Männer. Nun wird gerade eine Führungskraft meist nicht nach Tarif bezahlt, sondern handelt ihren Lohn individuell aus – eine mögliche Ursache für die Lohnlücke.

Andere Frauen handicapt, dass sie neben dem Job Nachwuchs erziehen. Denn eine Studie aus US-Anwaltsbüros zeigte: Wer abends extrem lange im Büro bleibt, hat bessere Chancen auf einen Spitzenlohn. Einer Mutter, die um 17 Uhr ihr Kind aus dem Hort holt, bleibt dieser Karrierevorteil versagt. Die Forscher des IZA sehen auch in den hierarchischen Strukturen der Arbeitsmärkte ein Problem. Männerbündnisse und Netzwerke könnten sich auf den Gehaltsscheck auswirken, mutmaßen die Wissenschaftler.

Bislang kaum erforscht ist die zweite Tendenz, die gerade deutsche Frauen benachteiligt: die Lohnlücke bei den niedrigen Einkommen. Haben Gewerkschaften stärker die Interessen ihrer männlichen Klientel im Blick? Überdauert hier der Brauch, den Mann als „Ernährer“ und die Frau als „Zuverdienerin“ zu betrachten? Noch kann die Wissenschaft nur mutmaßen.