Kommentar: Der Antisemitismus und die FDP
: Nichts gewusst, nichts gelernt

Ein Déjà-vu: Im vergangenen Jahr versuchte der damalige Fraktionsvorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Jürgen Möllemann, den Bundestagswahlkampf seiner Partei durch einen antisemitischen Flyer zu bereichern. Die These: Die Juden seien selbst Schuld am Antisemitismus. Die gehässig wirkende Art Prominenter jüdischen Glaubens – wie etwa des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon oder des deutschen TV-Moderators Michel Friedman – schüre den Hass auf alles Jüdische. Die Landtagsfraktion hielt zu Möllemann.

16 Monate später redet Möllemanns Nachfolger, der FDP-Fraktionsvorsitzende Ingo Wolf, im Landtag über Arbeitsmarktreformen – und nimmt eine sprachliche Anleihe an der Begrüßung des KZ Auschwitz „Arbeit macht frei“. Reaktion laut Landtagsprotokoll: Null. Niemand der Landtagsabgeordneten reagiert, nirgendwo äußert sich Protest. Ein Armutszeugnis für das nordrhein-westfälische Parlament.

Ein Armutszeugnis auch die Reaktion der freien Demokraten: Von Relativierung, Korrektur keine Spur. Die freien Demokraten wollen die NS-Diktion ihres Fraktionsvorsitzenden totschweigen, setzen auf das Vergessen über Weihnachten.

Was fürchtet Wolf? Eine neuerliche Debatte um latenten Antisemitismus in der FDP? Ein Geständnis der eigenen Gedankenverlorenheit, der Entlarvung seiner Thesen als dahingebrabbelte Phrasen? Nötig wäre eine schnelle Distanzierung, eine Klarstellung Wolfs. Doch die FDP hat aus dem Möllemann-Skandal nichts gelernt. ANDREAS WYPUTTA