„Endlich das Misstrauen abbauen“

Anwohner protestieren gegen neue Flüchtlingsunterkunft in Weidenpesch, die laut Stadt nur Übergangslösung ist. Bis April soll ein Runder Tisch eine Leitlinie zur Flüchtlingspolitik erarbeiten. Rom e.V. fordert ein Ende der Ghettoisierung und mehr Dialog

VON JOHANNES ZENNER

Ein Jahr nach dem offiziellen Ende der Kölner „Abschreckungspolitik“ gegen Flüchtlinge ist die Wohnsituation für die meisten Asylbewerber noch immer chaotisch. Auch die Unterbringung von Flüchtlingen in einer ehemaligen Behindertenwerkstatt in der Weidenpescher Pallenbergstraße ist nach Worten vom Leiter des Wohnungsbetriebs der Stadt Köln, Michael Schleicher, „eine Not- und keine Dauerlösung“. Die Stadt sucht weiter nach Wohnraum für Flüchtlinge. Ihr Problem: Wo sie Häuser findet, protestieren Anwohner – wie derzeit in Weidenpesch.

Improvisation als Konzept

Katrin Keling, Mitarbeiterin der städtischen Sozialdezernentin Marlis Bredehorst, stellt klar: „Die Notunterbringung in Weidenpesch musste die Stadt wegen der vielen Neuankömmlinge in den letzten zwei Wochen ad hoc einrichten.“ Schleicher ergänzt: „Nach Weidenpesch kommen nur neue Flüchtlinge. Ein Großteil der 80 Betroffenen sind wahrscheinlich Roma“. Er habe bei seiner Suche „nach geeigneten Objekten schon diverse Makler angeschrieben – bislang ohne Ergebnis“. Das Wohnheim in der Pallenbergstraße sei jetzt bezugsfertig, werde aber erst dann belegt, wenn „alle bisherigen Unterbringungsmöglichkeiten nicht mehr ausreichen“.

Das könnte schon bald sein, denn die Zahl der Flüchtlinge in Köln hat im Vergleich zum Jahr 2000 weiter zugenommen. Nach Aussage von Ulrich Prölß vom Kölner Flüchtlingsrat lebten Ende Juni 2003 insgesamt 10.792 Flüchtlinge in Köln. Davon seien zurzeit etwa 6.140 Personen in städtischen Einrichtungen untergebracht. Vor drei Jahren seien es noch 5.204 gewesen.

Dass die Kölner Verwaltung zu improvisierten Maßnahmen wie in der Pallenbergstraße greifen muss, sobald die Flüchtlingszahlen steigen, zeigt, dass sich nicht viel getan hat, seit Grün-Schwarz im Rathaus regiert. Eigentlich wollte die neue Koalition die Flüchtlingsfrage humaner, transparenter und strukturierter angehen als ihr schwarz-gelber Vorgänger: „CDU und Grüne sind über die Neuausrichtung der Flüchtlingskonzeption in Köln einig“ heißt es daher auch im schwarz-grünen Koalitionsvertrag vom 4. Februar 2003. Nun, nach fast einem Jahr schwarz-grüner Koalition, hat man noch immer keinen rechten Plan. Immerhin räumte die Verwaltung allerdings auf Weisung von Schwarz-Grün Ende September das umstrittene Flüchtlingsschiff „Transit“ – rund 200 Flüchtlinge wurden verlegt. Und Anfang 2004 soll auch die provisorische Wohnanlage in der Poller Salmstraße aufgelöst werden. „Die 140 Bewohner des Poller Flüchtlingsheims werden auf die insgesamt 60 Wohnheime in der ganzen Stadt verteilt“, sagt Schleicher.

„Aufstand der Bürger“

Dies dürfte auch eine Konsequenz der heftigen Bürgerproteste gegen das Poller Wohnheim sein, bei denen sich die umstrittene Initiative „Pro Köln“ aber auch die Kölner FDP als Hardliner gegen die angeblich chronisch kriminellen Flüchtlinge profilierten. Ergebnis des „Aufstands der anständigen Bürger“: Die Salmstraße ist künftig für Flüchtlinge tabu. Zwar werden dort mit öffentlichen Fördergeldern bis März neue Wohneinheiten gebaut. Diese seien aber, so Schleicher, nach ihrer Fertigstellung Familien mit Wohnungsberechtigungsschein (WBS) vorbehalten. Asylsuchende bekommen keinen WBS. Also könnten die Flüchtlinge nicht bleiben, erklärt er.

Die grundsätzliche Frage des Umgangs mit Flüchtlingen ist auch sonst offen: Bis April soll die Stadtverwaltung dazu nun eine Leitlinie der Kölner Flüchtlingspolitik entwickeln, zusammen mit Vertretern aus Ratsfraktionen, Kirchen, dem Kölner Flüchtlingsrat und der Polizei.

Kurt Holl, Vorstand des Rom e.V., hat schon recht genaue Vorstellungen, wie die „Ideallösung“ aussehen könnte: „Die Heime müssen mit maximal 60 Personen belegt sein, die dann in kleinen, abgeschlossenen Einheiten leben können. Die Flüchtlinge haben ein Anrecht auf Privatsphäre“. Dem „Ghettoisierungseffekt durch die momentane Wohnanlagensituation“ müsse Einhalt geboten werden. „Stadt und künftige Anlagenbewohner sollen mit den Anwohnern ins Gespräch kommen und endlich das gegenseitige Misstrauen abbauen – und zwar im Vorfeld, nicht erst im Nachhinein“, so Holl. Dann wären die Anwohner „auch nicht unverhofft vor neue Tatsachen gestellt, wenn plötzlich in der Nachbarschaft ein Flüchtlingswohnheim entsteht“, kommentiert Holl die Anwohnerproteste der letzten Wochen gegen das Haus in der Pallenbergstraße.